Wurde/wird Schulgeschichte bisher vor allem von Profanhistorikern und Pädagogen betrieben, so behandelt die vorliegende materialreiche, auf umfangreichen Archivarbeiten beruhende sich als "kirchenhistorische und damit auch theologische Arbeit" (14) verstehende subtile Osnabrücker Dissertation des katholischen Theologen Klaus Schlupp (Os 94, A 02) aus dem Jahr 2000 (Institut für Kath. Theologie; P. Prof. Dr. Friedhelm Jürgensmeier MSF) das hochkomplexe Thema vor allem aus der Perspektive eines an dem Verhältnis von Staat und Kirche interessierten Kirchenhistorikers. Sie geht u. a. der Frage nach, inwieweit die (vor allem katholische) Kirche in Hessen-Darmstadt im fraglichen Zeitraum ihren Einfluß auf das Schulwesen behauptet bzw. verloren hat; sie verfolgt die lokalen Schulverhältnisse und geht den Lehrern sowie den Unterrichtsinhalten nach, wobei -so die These Schlupps- vor allem "das herausragende schulische Engagement Bischof Peter Leopold Kaisers" in den Mittelpunkt gestellt werden muß, "dessen Bedeutung für die Geschichte des katholischen Schulwesens in Hessen ungleich wichtiger ist als die Bischof von Kettelers" (9f.), auf den sich die bisherige Forschung konzentrierte. Daß Kaisers Schulpolitik auch durch partnerschaftliche Kooperation mit dem Staat und dem evangelischen Oberkonsistorium (18) geprägt war, sei besonders vermerkt. Überhaupt trägt Schlupps Arbeit auch viel für das evangelische Kirchen- und Schulwesen im Großherzogtum Hessen aus; auf Wilhelm Diehls Oevre wird Bezug genommen.
Näherhin ist es das Ziel der Arbeit "die Untersuchung des niederen Schulwesens im Großherzogtum Hessen und dessen Beziehung zur katholischen Kirche, insbesondere zum Bistum Mainz als zuständiger Territorialkirche" in einem Zeitraum, in dem sich -vor allem durch den Anfall Rheinhessens an Hessen-Darmstadt 1816- auch die schulische Landschaft vielfach veränderte, in dem unterschiedliche pädagogische und theologische Ideen am Werke waren, in dem vor allem in Rheinhessen mit der "Kommunalschule" und einem simultanen Religionsunterricht eine neue schulische Tradition entstand usw. In dem von Schlupp untersuchten Zeitraum bestanden im Großherzogtum Hessen vier verschiedene Systeme der Beziehung zwischen Staat und Kirche, drei unterschiedliche Arten der Verwaltungsgliederung und fünf verschiedene Schulverfassungen (19). Mit dem Schuledikt von 1832 wurde die (vor allem auf die Franzosenzeit zurückgehende) schulpolitische Eigenständigkeit Rheinhessens beendet (130); das Großherzogtum bekam eine einheitliche Schulverwaltung (26). Mit dem Schulgesetz vom 16.6.1874 ging dann die von Schlupp behandelte Epoche der hessen-darmstädter Schulgeschichte zu Ende. Das öffentliche Schulwesen war von diesem Zeitpunkt an ein Teil der Staatsverwaltung. Die Kirche, vorher in verschiedenen Graden aktiv an der Schule beteiligt, behielt lediglich ihre Reservatrechte am Religionsunterricht (631).
Kurz: Zwischen der napoleonischen Zeit und Bischof v. Kettelers Tod 1877 wirkten sich die Spannungen zwischen Katholischer Kirche und protestantischem Staat auch auf das Schulwesen im neuen Großherzogtum Hessen aus. Beeinflußt von aufklärerischen Ideen und um die ökonomische Situation der Lehrer (vor allem in den ehemaligen kurpfälzischen Gebieten mit ihrer Konfessionsmischung [Katholiken, Reformierte, Lutheraner, Mennoniten, Juden] fristeten die ländlichen Konfessionsschulen oft ein kümmerliches Dasein) zu verbessern, war es das Ziel des von Pestalozzi und Herbart beeinflußten protestantischliberalen Regierungsrats Wilhelm Friedrich Hesse ab 1820, in Rheinhessen gemischt konfessionelle Dörfer mit "Kommunalschulen" (Simultanschulen) auszustatten, in denen vertiefter Profanunterricht und interkonfessioneller Religionsunterricht (konfessioneller RU sollte durch die Pfarrer erteilt werden) geboten werden sollte, was zu Widerstand seitens des katholischen Klerus führte. Durch die Situation der Mainzer Bischofsbesetzung (Das Bistum Mainz wurde erst 1821 als Bistum für das Großherzogtum Hessen umschrieben; zum Großherzogtum gehörten vorher Teile der napoleonischen Diözese Mainz, der alten Mainzer [bzw. Regensburger] Erzdiözese [Generalvikariat Aschaffenburg], des Bistums Worms [Generalvikariat Lampertheim] und des Erzbistums Trier!) erstand erst 1830 dem Staat ein katholischer Dialogpartner in Form des Bischofs von Mainz. Der zuweilen harte, aber letztlich konstruktive Dialog des Staates mit der Kirche um die Volksschule wurde vor allem durch das diplomatische Geschick des Bischofs Peter Leopold Kaiser (1835-1848) bestimmt, der bei allen Konflikten zu einem für beide Seiten erträglichen Modus vivendi im Volksschulwesen führte.
Soweit eine kurze Zusammenfassung der verdienstvollen Arbeit, in der Schlupp nach einer umfangreichen Einleitung in das Schulwesen in den Vorgängerstaaten und in den rechtsrheinischen Provinzen des Großherzogtums Hessens bis zur Allgemeinen Schulordnung von 1827 den verschlungenen Pfaden dieser Schulgeschichte in vier großen Abschnitten nachgeht: "Die Schule im Spannungsfeld von Kirche und Staat" (Die Wechselwirkungen zwischen Kirche und Staat auf dem Gebiet des niederen Schulwesens; die Rolle der Bischöfe; die schulpolitischen Ziele und Methoden von Kirche und Staat) -"Katholische Schule und regionaler Bezug" (Die Schulentwicklung in der Stadt Mainz und in der althessischen Diaspora wie Darmstadt, Gießen und Friedberg) - "Die katholischen Volksschullehrer und -lehrerinnen" (u. a. Darstellung der Entwicklung des Lehrers vom dem Geistlichen subordinierten Kirchendiener hin zum auch kirchlich anerkannten Fachmann für Pädagogik) - "Der Unterricht in der Volksschule" (u. a. Behandlung der im Unterricht benutzten Lehrbücher, in denen auch die unterschiedlichen theologischen, pädagogischen und politischen Strömungen der Zeit sichtbar werden).
Abgesichts des umfangreichen Quellenmaterials hat Schlupp für seine Arbeit eine eher erzählende Darstellungweise gewählt (15), was die Verarbeitung einer großen Stofffülle erleichterte, aber auch Wiederholungen mit sich bringt. Trotz des (verständlicherweise) hohen Preises empfehle ich die Lektüre dieser fleißigen und kenntnisreichen Arbeit nachdrücklich!
Karl Dienst (Mz 53, Gi 61, Dp 95, Dst 05)
Eine weitere Rezension
Sylvia Kesper-Biermann (Bayreuth)
Rezension in: EWR 6 (2007), Nr. 1
Eine weitere Rezension
Martina Rommel (Mainz)
Rezension in: Nassauische Annalen Bd. 18 (2007), S. 694-696
Aktualisiert: 2020-01-01
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Das Buch beleuchtet die Zeit der Merowinger und Karolinger sowie die verschiedenen Facetten der Persönlichkeit des großen Herrschers als Kriegsherr und Eroberer, als Kaiser und Herrscher, aber auch als Ehemann und Familienvater.
Aktualisiert: 2018-07-12
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Wurde/wird Schulgeschichte bisher vor allem von Profanhistorikern und Pädagogen betrieben, so behandelt die vorliegende materialreiche, auf umfangreichen Archivarbeiten beruhende sich als „kirchenhistorische und damit auch theologische Arbeit" (14) verstehende subtile Osnabrücker Dissertation des katholischen Theologen Klaus Schlupp (Os 94, A 02) aus dem Jahr 2000 (Institut für Kath. Theologie; P. Prof. Dr. Friedhelm Jürgensmeier MSF) das hochkomplexe Thema vor allem aus der Perspektive eines an dem Verhältnis von Staat und Kirche interessierten Kirchenhistorikers. Sie geht u. a. der Frage nach, inwieweit die (vor allem katholische) Kirche in Hessen-Darmstadt im fraglichen Zeitraum ihren Einfluß auf das Schulwesen behauptet bzw. verloren hat; sie verfolgt die lokalen Schulverhältnisse und geht den Lehrern sowie den Unterrichtsinhalten nach, wobei -so die These Schlupps- vor allem „das herausragende schulische Engagement Bischof Peter Leopold Kaisers" in den Mittelpunkt gestellt werden muß, „dessen Bedeutung für die Geschichte des katholischen Schulwesens in Hessen ungleich wichtiger ist als die Bischof von Kettelers" (9f.), auf den sich die bisherige Forschung konzentrierte. Daß Kaisers Schulpolitik auch durch partnerschaftliche Kooperation mit dem Staat und dem evangelischen Oberkonsistorium (18) geprägt war, sei besonders vermerkt. Überhaupt trägt Schlupps Arbeit auch viel für das evangelische Kirchen- und Schulwesen im Großherzogtum Hessen aus; auf Wilhelm Diehls Oevre wird Bezug genommen.
Näherhin ist es das Ziel der Arbeit „die Untersuchung des niederen Schulwesens im Großherzogtum Hessen und dessen Beziehung zur katholischen Kirche, insbesondere zum Bistum Mainz als zuständiger Territorialkirche" in einem Zeitraum, in dem sich -vor allem durch den Anfall Rheinhessens an Hessen-Darmstadt 1816- auch die schulische Landschaft vielfach veränderte, in dem unterschiedliche pädagogische und theologische Ideen am Werke waren, in dem vor allem in Rheinhessen mit der „Kommunalschule" und einem simultanen Religionsunterricht eine neue schulische Tradition entstand usw. In dem von Schlupp untersuchten Zeitraum bestanden im Großherzogtum Hessen vier verschiedene Systeme der Beziehung zwischen Staat und Kirche, drei unterschiedliche Arten der Verwaltungsgliederung und fünf verschiedene Schulverfassungen (19). Mit dem Schuledikt von 1832 wurde die (vor allem auf die Franzosenzeit zurückgehende) schulpolitische Eigenständigkeit Rheinhessens beendet (130); das Großherzogtum bekam eine einheitliche Schulverwaltung (26). Mit dem Schulgesetz vom 16.6.1874 ging dann die von Schlupp behandelte Epoche der hessen-darmstädter Schulgeschichte zu Ende. Das öffentliche Schulwesen war von diesem Zeitpunkt an ein Teil der Staatsverwaltung. Die Kirche, vorher in verschiedenen Graden aktiv an der Schule beteiligt, behielt lediglich ihre Reservatrechte am Religionsunterricht (631).
Kurz: Zwischen der napoleonischen Zeit und Bischof v. Kettelers Tod 1877 wirkten sich die Spannungen zwischen Katholischer Kirche und protestantischem Staat auch auf das Schulwesen im neuen Großherzogtum Hessen aus. Beeinflußt von aufklärerischen Ideen und um die ökonomische Situation der Lehrer (vor allem in den ehemaligen kurpfälzischen Gebieten mit ihrer Konfessionsmischung [Katholiken, Reformierte, Lutheraner, Mennoniten, Juden] fristeten die ländlichen Konfessionsschulen oft ein kümmerliches Dasein) zu verbessern, war es das Ziel des von Pestalozzi und Herbart beeinflußten protestantischliberalen Regierungsrats Wilhelm Friedrich Hesse ab 1820, in Rheinhessen gemischt konfessionelle Dörfer mit „Kommunalschulen" (Simultanschulen) auszustatten, in denen vertiefter Profanunterricht und interkonfessioneller Religionsunterricht (konfessioneller RU sollte durch die Pfarrer erteilt werden) geboten werden sollte, was zu Widerstand seitens des katholischen Klerus führte. Durch die Situation der Mainzer Bischofsbesetzung (Das Bistum Mainz wurde erst 1821 als Bistum für das Großherzogtum Hessen umschrieben; zum Großherzogtum gehörten vorher Teile der napoleonischen Diözese Mainz, der alten Mainzer [bzw. Regensburger] Erzdiözese [Generalvikariat Aschaffenburg], des Bistums Worms [Generalvikariat Lampertheim] und des Erzbistums Trier!) erstand erst 1830 dem Staat ein katholischer Dialogpartner in Form des Bischofs von Mainz. Der zuweilen harte, aber letztlich konstruktive Dialog des Staates mit der Kirche um die Volksschule wurde vor allem durch das diplomatische Geschick des Bischofs Peter Leopold Kaiser (1835-1848) bestimmt, der bei allen Konflikten zu einem für beide Seiten erträglichen Modus vivendi im Volksschulwesen führte.
Soweit eine kurze Zusammenfassung der verdienstvollen Arbeit, in der Schlupp nach einer umfangreichen Einleitung in das Schulwesen in den Vorgängerstaaten und in den rechtsrheinischen Provinzen des Großherzogtums Hessens bis zur Allgemeinen Schulordnung von 1827 den verschlungenen Pfaden dieser Schulgeschichte in vier großen Abschnitten nachgeht: „Die Schule im Spannungsfeld von Kirche und Staat" (Die Wechselwirkungen zwischen Kirche und Staat auf dem Gebiet des niederen Schulwesens; die Rolle der Bischöfe; die schulpolitischen Ziele und Methoden von Kirche und Staat) -„Katholische Schule und regionaler Bezug" (Die Schulentwicklung in der Stadt Mainz und in der althessischen Diaspora wie Darmstadt, Gießen und Friedberg) - „Die katholischen Volksschullehrer und -lehrerinnen" (u. a. Darstellung der Entwicklung des Lehrers vom dem Geistlichen subordinierten Kirchendiener hin zum auch kirchlich anerkannten Fachmann für Pädagogik) - „Der Unterricht in der Volksschule" (u. a. Behandlung der im Unterricht benutzten Lehrbücher, in denen auch die unterschiedlichen theologischen, pädagogischen und politischen Strömungen der Zeit sichtbar werden).
Abgesichts des umfangreichen Quellenmaterials hat Schlupp für seine Arbeit eine eher erzählende Darstellungweise gewählt (15), was die Verarbeitung einer großen Stofffülle erleichterte, aber auch Wiederholungen mit sich bringt. Trotz des (verständlicherweise) hohen Preises empfehle ich die Lektüre dieser fleißigen und kenntnisreichen Arbeit nachdrücklich!
Karl Dienst (Mz 53, Gi 61, Dp 95, Dst 05)
Eine weitere Rezension
Sylvia Kesper-Biermann (Bayreuth)
Rezension in: EWR 6 (2007), Nr. 1
Eine weitere Rezension
Martina Rommel (Mainz)
Rezension in: Nassauische Annalen Bd. 18 (2007), S. 694-696
Aktualisiert: 2019-01-08
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