„Kalte Enteignungen“ von Grundstücken nach der ZwangsverkaufsVO 68

„Kalte Enteignungen“ von Grundstücken nach der ZwangsverkaufsVO 68 von Henicke,  Dr. Hartmut, Schnabel,  Gunnar, Tatzkow,  Dr. Monika
In der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15.6.1990 ist u. a. in den „Eckwerten“ Einigkeit erzielt worden, daß Bürgern, deren Vermögen wegen Flucht aus der DDR oder aus sonstigen Gründen in eine staatliche Verwaltung genommen worden ist, die Verfügungsbefugnis über ihr Eigentum zurückzugeben ist und (entschädigungslos oder willkürlich) enteignetes Grundvermögen den ehemaligen Eigentümern oder ihren Erben zurückzugeben ist. Das damit geschaffene Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ ist durch die Interpretation der auslegungsfähigen und unvollständigen Bestimmungen im Einigungsvertrag und Vermögensgesetz vielfach in das Gegenteil verkehrt worden. Bundesverwaltungsgerichtlich steht nunmehr fest, daß Enteignungen bzw. Vermögensentziehungen unangreifbar sind, wenn nicht im Einzelfall nachgewiesen wird, daß „in bewußter Abkehr von den ansonsten für Bürger der DDR geltenden einschlägigen Vorschriften Entschädigungsbestimmungen zur Anwendung kommen, die den diskriminierenden Zugriff auf das Eigentum erleichtern sollten“. Der permanente Verstoß gegen gesetzliche Verfahrensbestimmungen bei der Behandlung des Vermögens von „Republikflüchtigen“, z. B. fehlende Einbeziehung in das Enteignungs- und Entschädigungsfestsetzungsverfahren, Ausschluß des Rechtsbehelfsverfahrens, fehlende Festsetzung von Entschädigungsbeträgen bzw. fehlerhafte Festsetzung der Entschädigung oder Unmöglichkeit der Verfügungsmöglichkeit über diese, soll „für sich“ keine diskriminierende und somit den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes eröffnende Maßnahme darstellen. Das zielgerichtete staatliche Unrecht gegenüber Flüchtlingsvermögen soll unter Hinweis auf die Unangreifbarkeit des Verwaltungshandelns von DDR-Behörden nur ausnahmsweise angreifbar sein, wenn es „mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar“ ist. Die regelmäßig in Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen ergangenen Vermögensentziehungen werden damit höchstrichterlich abgesegnet und zu „mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar“ erhoben. Die wenigen Ausnahmen, für die das VermG noch einschlägig sein soll, sind die Fälle, wo „von der Rechtswirklichkeit der DDR ausgehend in Verwaltungsanweisungen, unveröffentlichten Erlassen und sonstigen, von staatlichen Stellen zu beachtende generelle Regelungen über entschädigungslose Enteignungen“ bestanden, d. h. durch interne Arbeitsanweisungen für bestimmte Fallgestaltungen die Pflicht zur Entschädigung generell außer Kraft gesetzt oder lediglich zum Schein aufrechterhalten wurde. Die vorliegende Dokumentation beweist, daß Willkür und entschädigungslose Liquidierung von Flüchtlingsvermögen nicht die Ausnahme, sondern, systematisch betrieben und von höchster staatlicher Stelle initiiert, die Regel waren. Die nahezu perfekt durchgeführte Manipulation von Überschuldungsunterlagen als Voraussetzung für die (entschädigungslose) Zwangsveräußerung zeigt, daß es bei der Liquidierung von Flüchtlingsvermögen regelmäßig „nicht mit rechten Dingen zugegangen“ ist. Der Anscheinsbeweis, daß es zu vorsätzlichen Manipulationen gekommen ist, wird durch die hiermit vorgelegten „Handlungsanweisungen“ statuiert. Bisher haben die zur Aufarbeitung des teilungsbedingten Unrechts berufenen Vermögensämter und Verwaltungsgerichte nahezu keinerlei Aufklärungsarbeit unternommen, den Zwangscharakter von Enteignungen und Veräußerungen von Flüchtlingsvermögen durch Studium des Quellenmaterials von sich aus aufzuklären. Das Verwaltungsgericht Berlin unterstellt eine grundsätzlich rechtsstaatliche Praxis und wertet „unterlaufene Fehler“ bei Enteignungsverfahren als unerheblich, es sei denn, der Berechtigte könne im Einzelfall nachweisen, daß es wissentlich zu manipulativen Handlungen gekommen sei. Entsprechende Sachverhaltsaufklärungen „von Amts wegen“ sind nicht angestellt worden und die Klage „mangels Beweises“ abgewiesen. Die Entscheidung zeigt, daß der Alteigentümer für die erfolgreiche Geltendmachung seiner bestehenden Ansprüche auf selbständige Ermittlungen angewiesen ist. Sein Hinweis, „der Zwangsverwalter habe die Grundstücksverschuldung herbeigeführt, um keine Entschädigung leisten zu müssen“, ohne Bezugnahme auf konkrete manipulative Handlungen oder interne Dienstanweisungen, war für das Verwaltungsgericht unerheblich. Den hiermit veröffentlichten Dokumenten kommt als notwendige Beweismittel zum Nachweis manipulativen und diskriminierenden Verhaltens gegenüber Flüchtlingsvermögen grundlegende Bedeutung zu. Die Vermögensämter und Verwaltungsgerichte sind nach entsprechendem Sachvortrag gesetzlich verpflichtet, im Wege der „Amtsermittlung“ das staatliche Unrecht zu ermitteln und festzustellen. Kommen sie diesen gesetzlichen Pflichten nicht nach, kann durch Verfahrensrügen untermauerten Einwand der unterlassenen Sachverhaltsaufklärung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht erfolgreich durchdringen. Warum bisher die zur Aufarbeitung von teilungsbedingtem Unrecht zuständigen Vermögensämter und Verwaltungsgerichte bei Enteignungen und Veräußerungen von Flüchtlingsvermögen grundsätzlich von „rechtsstaatlichen“ Vermögensentziehungen ausgehen und Sachverhaltsaufklärungen zum Nachweis von manipulativen und diskriminierenden Enteignungen und Zwangsverkäufen unterlassen, ist noch im Dunkeln. Fest steht, daß dadurch in einer Vielzahl von Fällen begründete Rückübertragungsansprüche nicht „beweisbar“ sind und somit Rückübertragungen verwaltungsverfahrensrechtlich ausgeschlossen werden. Soweit es sich um enteignete oder durch Zwangsveräußerungen in Volkseigentum überführte Grundstücke handelt, werden dadurch dem Bund bzw. den Ländern Vermögenswerte in Milliardenhöhe „entschädigungslos“ zugeführt. Die aus InVorG-Verfahren erlösten Millionenbeträge fließen nicht als kompensierender Gegenwert für den Verlust seines Grundeigentums dem Alteigentümer zu, sondern verbleiben im Staatshaushalt als unerwarteter Geldsegen aus der „interessengerechten Aufarbeitung des teilungsbedingten Unrechts“. Nutznießer sind in den Ländern die das Landesvermögen verwaltenden Finanzministerien bzw. Senatoren für Finanzen, die gleichzeitig Dienstherren der Vermögensämter sind. Die bisherige Untätigkeit der Vermögensämter, manipulative und diskriminierende Enteignungen und Zwangsveräußerungen zu ermitteln, statt dessen aber regelmäßig Vermögensentziehungen nach Enteignungsgesetzen und Zwangsveräußerungsbestimmungen als „das VermG ausschließende, nicht revisible“ Vermögensentziehungen anzusehen und damit die Rückübertragung oder Entschädigungsansprüche der Alteigentümer auszuschließen, kommt, gewollt oder ungewollt, unmittelbar der Vermögensmehrung des von ihrem Dienstherren verwalteten Landes- bzw. Bundesvermögens zugute. Die hiermit veröffentlichte Dokumentation zeigt aber nicht nur die Möglichkeiten der erfolgreichen Durchsetzung des begründeten vermögensrechtlichen Rückübertragungsanspruchs auf, sondern auch die zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Eigentumsrückgabeansprüche. In einer umfassenden Würdigung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen wird aufgezeigt, daß Zwangsveräußerungen zivilrechtlich unwirksam sind, wenn die gesetzlich nötige „Überschuldungslage“ tatsächlich gar nicht vorlag, sondern nur manipulativ herbeigeführt und vorgetäuscht wurde. Der Eigentümer kann dann unter Außerachtlassung des vermögensrechtlichen Rückübertragungsverfahrens direkt seine Eigentumsrückgabeansprüche gegenüber dem Besitzer geltend machen.
Aktualisiert: 2022-09-26
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