Nach Auflösung des sowjet-sozialistischen Staatensystems und seiner sozialistischen Staats- und Rechtsordnungen sind die osteuropäischen Staaten einem Zwang zur nachholenden Modernisierung vor allem auf den Gebieten von Recht und Wirtschaft ausgesetzt. Der eingeleitete Umkehrungsprozeß soll diese Staaten zu parlamentarischer Demokratie, sozialem Rechtsstaat, gesellschaftlichem Pluralismus und privatrechtlich organisierter Volkswirtschaft hinführen. Der Erfolg eines solchen Transformationsprozesses hängt entscheidend von der Erkenntnis und Analyse der historischen Tatbestände in der Zeit zwischen 1945 und 1989 - wie auch noch der vor 1945 - ab. Insoweit besitzen rechtshistorische Tatbestandsermittlung und Tatbestandsanalyse auch einen unmittelbaren Problembezug zu den gewaltigen Gegenwartsaufgaben einer neuen europäischen Rechts- und Wirtschaftsordnung.
Unter diesem Aspekt hat das "Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte" in Frankfurt a.M. unter der Leitung von Dieter Simon - Direktor am Institut - das Forschungsprojekt "Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften (1944-1989)" entwickelt. Diese Forschungsinitiative war die erste ihrer Art, die auf einem Gebiet der Geisteswissenschaften mit erheblichen aktuell-politischen Implikationen eine Forschungskooperative mit Wissenschaftlern aus postsozialistischen Ländern in Gang gesetzt und praktiziert hat. Als Untersuchungsländer wurden die Tschechoslowakei, Ungarn, Polen und die SBZ/DDR ausgewählt. Zur Bewältigung des weit gefächerten Arbeitsplans wurde je eine Arbeitsgruppe in Prag, Bratislava, Budapest, Warschau und Frankfurt a.M. gebildet.
Mit vier Quellenbänden können erste Ergebnisse der auf drei Jahre begrenzten intensiven Projektarbeit vorgelegt werden, die dankenswerter Weise durch Finanzmittel der Europäischen Union und der Volkswagen-Stiftung unterstützt wurde. Etwa sechs Themenbände werden noch folgen. Die vier Quellenbände umfassen - im thematischen Gleichklang ihrer Gliederung - 1) eine Einführung in die Rechtsgeschichte des jeweiligen Landes, die in der Regel den Zeitraum von 1944/45 bis 1989 umfaßt; 2) eine kommentierte Auswahlbibliographie und 3) eine Archivübersicht, die alle projektrelevanten Bestände des jeweiligen Landes nachweist. Aus komparatistischen Gründen wurde versucht, alle Quellenbände mit einem hohen Maß an einheitlichen Gliederungskriterien sowie an einheitlicher Begrifflichkeit zu gestalten, ohne deshalb die Individualität der jeweiligen Länderentwicklungen zu überdecken.
Aktualisiert: 2020-10-23
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Die Abhandlung entstand im Rahmen des Forschungsprojektes "Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften", in dessen Verlauf die verschiedenartigsten Formen der "gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit" in Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und der DDR untersucht worden sind. Für die DDR betraf der Forschungsschwerpunkt zwei Institutionen, die seit 1953 auf betrieblicher Ebene entstandenen Konfliktkommissionen und die seit 1963 vorwiegend in den Wohngebieten tätigen Schiedskommissionen. In den Regelungen zu den Schiedskommissionen wurden auf bemerkenswerte Weise Rechtsfiguren aus dem traditionellen Sühneverfahren (preußische Schiedsmänner und sächsische Friedensrichter) mit Vorbildern aus anderen Staaten des "sozialistischen Rechtskreises" vernetzt. Pate standen die sowjetische Kameradschaftsgerichtsbarkeit ebenso wie die tschechoslowakische Volksgerichtsbarkeit. Die ersten drei Kapitel der Arbeit sind der Tätigkeit der Schiedspersonen (Sühnestellen), der Durchführung eines Pilotprojektes zu den Schiedskommissionen sowie ihrer vierjährigen Einführungsphase gewidmet. Im Kontext der Strafrechtsreform von 1968 wurden die "gesellschaftlichen Organe der Rechtspflege" zu "gesellschaftlichen Gerichten" erhoben und in das Gerichtssystem der DDR integriert. Vor allem auf dem Gebiet des Straf- und Ordnungsrechtes sind die Rechte der gesellschaftlichen Gerichte bis 1989 mehrfach erweitert worden. Ihre Einordnung in den Kontext der Institutionen zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit war mit einem spürbaren Rückgang der Inanspruchnahme durch die Bevölkerung verbunden. Obwohl in Teilbereichen als reformbedürftig angesehen, stand die Existenz der gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit nach der politischen Wende 1989 nicht zur Disposition. Mit Blick auf den herannahenden Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes wurde deutlich, dass die Institutionen der gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Rahmen der Bundesrepublik Deutschland nicht kompatibel sein würden. Vielfach bereits in Auflösung begriffen, endeten die Schiedskommissionen formell zeitgleich mit der DDR. Mit den Schiedsstellen in den Städten und Gemeinden der neuen Bundesländer haben sie als Institution der vorgerichtlichen Streitbeilegung einen partiellen Funktionsnachfolger gefunden.
Aktualisiert: 2020-05-26
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Nach Auflösung des sowjet-sozialistischen Staatensystems und seiner sozialistischen Staats- und Rechtsordnungen sind die osteuropäischen Staaten einem Zwang zur nachholenden Modernisierung vor allem auf den Gebieten von Recht und Wirtschaft ausgesetzt. Der eingeleitete Umkehrungsprozeß soll diese Staaten zu parlamentarischer Demokratie, sozialem Rechtsstaat, gesellschaftlichem Pluralismus und privatrechtlich organisierter Volkswirtschaft hinführen. Der Erfolg eines solchen Transformationsprozesses hängt entscheidend von der Erkenntnis und Analyse der historischen Tatbestände in der Zeit zwischen 1945 und 1989 - wie auch noch der vor 1945 - ab. Insoweit besitzen rechtshistorische Tatbestandsermittlung und Tatbestandsanalyse auch einen unmittelbaren Problembezug zu den gewaltigen Gegenwartsaufgaben einer neuen europäischen Rechts- und Wirtschaftsordnung.
Unter diesem Aspekt hat das "Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte" in Frankfurt a.M. unter der Leitung von Dieter Simon - Direktor am Institut - das Forschungsprojekt "Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften (1944-1989)" entwickelt. Diese Forschungsinitiative war die erste ihrer Art, die auf einem Gebiet der Geisteswissenschaften mit erheblichen aktuell-politischen Implikationen eine Forschungskooperative mit Wissenschaftlern aus postsozialistischen Ländern in Gang gesetzt und praktiziert hat. Als Untersuchungsländer wurden die Tschechoslowakei, Ungarn, Polen und die SBZ/DDR ausgewählt. Zur Bewältigung des weit gefächerten Arbeitsplans wurde je eine Arbeitsgruppe in Prag, Bratislava, Budapest, Warschau und Frankfurt a.M. gebildet.
Mit vier Quellenbänden können erste Ergebnisse der auf drei Jahre begrenzten intensiven Projektarbeit vorgelegt werden, die dankenswerter Weise durch Finanzmittel der Europäischen Union und der Volkswagen-Stiftung unterstützt wurde. Etwa sechs Themenbände werden noch folgen. Die vier Quellenbände umfassen - im thematischen Gleichklang ihrer Gliederung - 1) eine Einführung in die Rechtsgeschichte des jeweiligen Landes, die in der Regel den Zeitraum von 1944/45 bis 1989 umfaßt; 2) eine kommentierte Auswahlbibliographie und 3) eine Archivübersicht, die alle projektrelevanten Bestände des jeweiligen Landes nachweist. Aus komparatistischen Gründen wurde versucht, alle Quellenbände mit einem hohen Maß an einheitlichen Gliederungskriterien sowie an einheitlicher Begrifflichkeit zu gestalten, ohne deshalb die Individualität der jeweiligen Länderentwicklungen zu überdecken.
Aktualisiert: 2021-01-28
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