Seit dem Systemwechsel in Osteuropa werden Vergangenheitsbilder, sprachliche Zuordnung und Konfessionszugehörigkeit zum Ausbau der Herrschaft nationaler Eliten benutzt. Dieser Prozeß beinhaltet die Ersetzung der kommunistischen Ideologie durch ethnonationale Identitäten und die Überformung der territorial-administrativen Umgestaltung durch die Renaissance der nationalen Idee. Mögen die Auswirkungen dieser Transformation in den postsozialistischen Ländern auch regional unterschiedlich sein, so ist der Entwicklung doch gemein, daß Konsens und Gemeinschaft seither im Zuge einer Abgrenzung entsteht, die das Eigene dem Anderen gegenüberstellt und dabei auf Feindbilder zurückgreift. Dieses Buch will daher das Verhältnis von Nationsbildung, Geschichtspolitik und Eskalationsdynamik erhellen, um die Funktion einer historischen Sinnstiftung im Kontext nationalistischer Gewaltentfaltung für einen Teilbereich des östlichen Europas aufzudecken.
Aktualisiert: 2020-09-01
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Unter den vielen Völkern, die das Russische Reich vereinte und die der sowjetische Nachfolgestaat in nationalen Einheiten neu gliederte, stellen die Burjaten und Kalmücken die einzigen mongolischen Völker dar. Beide sind auch heute in der Rußländischen Föderation durch Republiken repräsentiert – erstere am Bajkal-See, letztere am Kaspischen Meer – und weisen neben sprachlicher Nähe eine Reihe weiterer Gemeinsamkeiten auf. Dazu gehören der tibetische Buddhismus, die regionale Herkunft, die pastoralnomadische Ökonomie und eine auf Verwandtschaft beruhende Organisation von Gemeinschaft und Gesellschaft.
Der vorliegende Band von Dittmar Schorkowitz stellt ihre Geschichte in einem größeren Zusammenhang mit Rußland als imperialen Akteur in Asien und Europa dar. Im Sinne einer ‚dichten Beschreibung‘ bieten die zusammengetragenen Quellen und Beiträge Einblicke in die kulturelle und staatliche Integration beider Völker, deren Lebenswelten markant hervortreten. Aus wechselnden Perspektiven werden dazu ausgewählte Archivakten vorgestellt: die Ernte langjähriger Forschungen in rußländischen Archiven. Dabei handelt es sich um amtliche, oft als geheim klassifizierte Korrespondenzgänge, Berichte und Verfügungen staatlicher Behörden sowie um statistisch-demographische Mitteilungen für den ministeriellen Gebrauch, die in ihrer Gesamtheit einen repräsentativen Querschnitt zur Lebenswirklichkeit der sozialen Schichten und politischen Akteure in den Metropolen und an der Reichsperipherie unter Einbezug transnationaler Verflechtungen ergeben.
Aktualisiert: 2020-05-07
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Gut ein Jahrzehnt ist seit Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vergangen. Auf die epochale Bedeutung des damit einsetzenden Wandels in Osteuropa hatte René Ahlberg im ersten Band dieser Reihe hingewiesen. Inzwischen wurde die Perestroika durch einen Transformationsprozeß überlagert, dem es vor allem um die Implementierung von Marktwirtschaft, Demokratie und nationaler Identität geht. Wie sich die Erwartungen an diesen europäischen Angleichungsprozeß nach einer Dekade der Globalisierung retrospektiv darbieten und wie man die weitere Entwicklung einzuschätzen hat, ist Thema des Bandes. Dabei sind die Bewertungen der Reformwege so verschieden wie die Pfadabhängigkeiten der Transitionsländer selbst. Sie reichen vom Erfüllungsbefund der Mitgliedschaftskriterien internationaler Organisationen und einer Infragestellung regionaler Besonderheiten bis zum gegenteiligen Nachweis kulturraumbezogener Identitäten – eines historischen Erbes der Regionen, das sich oft in Nationalismus und Konservatismus ausdrückt.
Aktualisiert: 2019-12-19
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Der für die Rußlandmongolen untersuchte Integrationsprozeß macht das historische Bemühen des Russischen Reiches zur Unifizierung seiner ethnischen Heterogenität, zur Überwindung seiner hieraus resultierenden Widersprüche ebenso exemplarisch sichtbar wie die Gründe seiner Fehlerhaftigkeit. Denn dem Umstand, daß nationale Integration – soll sie gelingen – nicht nach rigiden Akkulturationsstrategien verlaufen darf, sondern sich an kulturhistorischen Grundmustern zu orientieren hat, wurde kaum Rechnung getragen. Dem Blick von der Peripherie präsentiert sich damit ein autokratisches Zentrum voll politischer Gegensätze. Es zeigt sich, daß staatliche Integration in Rußland und der Sowjetunion vor allem Russifizierung und Sowjetisierung bedeutete. Hierbei handelte es sich de facto um Prozesse der Subordination. Das Reich war in der Tat bemüht, staatliche Homogenität um den Preis von Ausgrenzung und gewaltsamer Angleichung zu gewinnen.
Aktualisiert: 2020-09-01
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Das Werk stellt den Versuch einer ersten monographischen Ethnohistorie der Kalmücken in deutscher Sprache dar. Die politische und soziale Organisation sowie die Akkulturationsprozesse wurden für den ausgewiesenen Zeitraum von ca. 250 Jahren zentral behandelt. Die Geschichte und Analyse der sozialen Organisationsprinzipien stehen im Zentrum der Untersuchung, da sie von ihrem strukturierenden und funktionellen Charakter her bestimmend für die Gesamtheit des sozialen, politischen und kulturellen Lebens waren und somit einen Schlüssel zum Verständnis der Kulturelemente des kalmückischen Volkes und seiner Akkulturationsprozesse bieten.
Aktualisiert: 2020-09-01
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Mit den in jüngster Zeit stattfindenden Veränderungen in großen Teilen Europas treten nicht nur altbekannte Landschaften zentraleuropäischer Regionen zwischen Baltikum, Polen und Ungarn aus dem Orbit sowjetischer Schwerkraft erneut in das Interaktionsfeld gesamteuropäischer Bezüge ein, sondern es rücken auch bisher eher randständig wahrgenommene Länder unseres in Nordkaukasien wie am Ural nach Asien angrenzenden Kontinents zunehmend in das Blickfeld interessierter Betrachtung. Dabei wird die Neugier nicht selten durch die Feststellung einer unerwarteten Vielfalt der Kulturen geweckt, die sich unserer Aufmerksamkeit bisher entzogen haben.
Zu den weniger bekannten „kleinen“ Völkern dieser östlichen Peripherie gehören die Kalmücken, das einzige mongolischsprachige Volk Europas, das erst vor nunmehr genau 400 Jahren aus den Weiten Zentralasiens nach Südrussland abzog und seither die Schicksale von kultureller Anpassung und Assimilation mit vielen anderen Ethnien dieses Vielvölkerstaates teilt. Solche Prozesse hinterlassen Spuren, auch im Nameninventar eines Volkes.
Die vorliegende Studie untersucht in einer Gesamtschau für den deutschen Leser erstmals Gegenwart und Vergangenheit des Gebrauchs kalmückischer Personennamen, wobei den sprachlichen Einflüssen verschiedener Kulturkreise breiter Raum gegeben ist. So wird im geschichtlichen Rückblick genau gezeigt, in welchen Namenformen sich die unterschiedlichen Kultureinflüsse äußern. Buddhistisch-sanskritische und tibetisch-lamaistische Namengebung finden hierbei ebenso Erklärung wie mongolisch-schamanistische Traditionen und migrationsbedingte Turkismen. Gemessen an der Dauer des Integrationsprozesses und der Einzigartigkeit der kalmückischen Kultur für das russländische Europa nehmen selbstverständlich Phänomene der Russifizierung bis hinein in die frühsowjetische Zeit einen besonderen Stellenwert ein.
Dabei mag auch den sprachhistorisch interessierten Kulturanthropologen neugierig stimmen, dass eine Reihe von Personennamen erst durch die Anwendung eines eigentümlichen Umgehungsgebotes (Tabu) zustande kommt. Vor allem, weil damit außerdem eine von möglichen Erklärungen für den langstehenden Gebrauch von Verwandtschaftsbezeichnungen bei den Kalmücken gegeben ist, deren Systematik, Struktur und Termini hier gleichsam auf neuestem Stand mitgeliefert werden.
Aktualisiert: 2020-06-30
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Seit dem Systemwechsel in Osteuropa werden Vergangenheitsbilder, sprachliche Zuordnung und Konfessionszugehörigkeit zum Ausbau der Herrschaft nationaler Eliten benutzt. Dieser Prozeß beinhaltet die Ersetzung der kommunistischen Ideologie durch ethnonationale Identitäten und
die Überformung der territorial-administrativen Umgestaltung durch die Renaissance der nationalen Idee. Mögen die Auswirkungen dieser Transformation in den postsozialistischen Ländern auch regional unterschiedlich sein, so ist der Entwicklung doch gemein, daß Konsens und Gemeinschaft seither im Zuge einer Abgrenzung entsteht, die das Eigene dem Anderen gegenüberstellt und dabei auf Feindbilder zurückgreift. Dieses Buch will daher das Verhältnis von Nationsbildung, Geschichtspolitik und Eskalationsdynamik erhellen, um die Funktion einer historischen Sinnstiftung im Kontext nationalistischer Gewaltentfaltung für einen Teilbereich des östlichen Europas aufzudecken.
Aktualisiert: 2023-04-08
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Das Buch umfaßt in einer wissenschaftstheoretischen Rückblende die Entwicklung der Archäologie in der Sowjetunion von ihren kulturhistorischen Anfängen über die Soziologisierung der Geschichtswissenschaften bis zur Entgegenständlichung der Archäologie, worunter insbesondere die Brandmarkung der Quellenorientiertheit als «Artefaktologie» hervorgehoben wird. Mit Fokus auf die Herrschaft Stalins, Chruscëvs und Breznevs exemplifiziert es den Einfluß von Ideologie und Partei auf den Gang der Geschichtswissenschaft an ihren Institutionen (Staatliche Akademie für Geschichte der Materiellen Kultur), den Wissenschaftlern (Pokrovskij, Frice, Marr, Ravdonikas, Arcichovskij, Rybakov, Grekov, Tret'jakov u.v.a.m.) wie den archäologischen Fachrichtungen (Soziologie, Ethnogenetik etc.). Ein Werk, das sich nicht nur an Historiker, Archäologen und Ethnologen, an die wissenschaftsgeschichtlich interessierte Soziologie und Politikwissenschaft wendet, sondern sich dem fortgeschrittenen Studenten als eine weit über den Rahmen des Faches Archäologie hinausgehende Einführung empfiehlt.
Aktualisiert: 2020-09-01
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