Ferdinand Bruckner, seit 1911 literarisch publizierend, gehört wie die nur wenige Jahre jüngeren Carl Zuckmayer und Bertolt Brecht zur Generation der erfolgreichen jungen Dramatiker der zweiten Hälfte der Weimarer Republik. Er wurde – Sohn eines österreichischen Bankkaufmanns jüdischer Konfession und einer französischen Übersetzerin – 1891 in Sofia als Theodor Tagger geboren. In Wien, Berlin und Graz wuchs er auf; er studierte Musik, Germanistik und Philosophie in Paris, Wien und Berlin. Er trat bereits in sehr jungen Jahren mit Veröffentlichungen – Essays, Rezensionen, Gedichte – hervor und begründete die aufwendig gestaltete, wenn auch kurzlebige ästhetische Zweimonatsschrift MARSYAS (1917-1919), in der Max Brod, Alfred Döblin, Kasimir Edschmid, Yvan Goll, Franz Kafka, Carl Sternheim – nur um diese zu nennen – gedruckt wurden.
Seit Beginn der zwanziger Jahre wandte er sich dem Theater zu und gehörte bald zu den vielgespielten Dramatikern seiner Zeit. Er änderte in dieser Zeit seinen Namen und legte sich das Pseudonym Ferdinand Bruckner zu, entstanden aus seiner Bewunderung für Ferdinand Raimund und Anton Bruckner. Erst 1930 lüftete er das Geheimnis, 1946 änderte er seinen bürgerlichen Namen offiziell in Ferdinand Bruckner um.
Mit seiner Frau Bettina Neuer gründete er 1922 in Berlin das Renaissance-Theater, mußte aber dessen Leitung später wegen finanzieller Fehlschläge abtreten; übernommen wurde die Direktion von Gustav Hartung. Zwischen 1928 und 1933 häuften sich die großen spektakulären, wenn auch nicht unumstrittenen Bühnenerfolge, die Bruckner mit seinen Zeitstücken und Historienstücken erlangte: Krankheit der Jugend (1926), Die Verbrecher (1928), Die Kreatur (1930), Elisabeth von England (1930), Timon (1932), Die Marquise von O. (1933). Der faschistische Terror zwang ihn, kurz nach der Machtübernahme Hitlers ins Exil zu gehen. Über Österreich und die Schweiz emigrierte er nach Paris. 1933 führte Gustav Hartung Bruckners antifaschistisches Zeitstück Die Rassen in Zürich am Schauspielhaus auf; das Stück fand eine „sehr günstige Aufnahme“, wie Thomas Mann in seinem Tagebuch notierte.
Die Emigrationszeit verbrachte Bruckner zunächst in Frankreich, ging dann aber 1936 in die USA, wo er in Hollywood für die Paramount Productions arbeiten sollte. Als sich die Kooperation zerschlug, ließ er sich in New York nieder und widmete sich seinem Werk – allerdings ohne Aussicht auf größere literarische Erfolge in der amerikanischen Öffentlichkeit. Er übersetzte seine und anderer Autoren Stücke ins Englische, arbeitete zeitweilig mit Erwin Piscator zusammen und gestaltete Probleme des Widerstands in neuen Historien- und Zeitstücken. Freilich fanden seine europäisch orientierten Texte kaum das Interesse der New Yorker Theater. Dennoch sind Bruckners antifaschistisches Engagement und sein literarischer und außerliterarischer Einsatz gegen die nazistische Gewaltherrschaft in Europa höchst beeindruckend und geschichtlich sehr verdienstvoll gewesen.
Nach Kriegsende versuchte Bruckner wieder im deutschsprachigen Kulturraum Fuß zu fassen, was aber nur schwer gelang. Die Kritik konnte mit seinem Spätwerk wenig anfangen. Seine Nachkriegsstücke wurden zwar da und dort gespielt, aber der große Erfolg der Jahre vor dem Exil stellte sich nicht mehr ein – weder in Deutschland noch in der Schweiz noch in Österreich.
Bruckner lebte seit 1953 bis zu seinem Tode am 5. Dezember 1958 in Berlin. Er war unter anderem als dramaturgischer Berater am Schillertheater tätig. Nach seinem Tode geriet sein Werk weitgehend in Vergessenheit; im Zuge der Erforschung der Literatur der Weimarer Republik und der Exilliteratur wurde man seiner erneut gewahr.
So hat Bruckners Gesamtwerk – abgesehen von einigen Teilpublikationen – keine Publizität erfahren. Das ist um so bedauerlicher, als Bruckner gerade zu den literarisch qualifiziertesten Seismographen der bewegten ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gehört und höchst aufschlußreich für die unterschiedlichsten geistigen Problemfelder des ersten Weltkriegs, der Weimarer Republik, des amerikanischen Exils und der Nachkriegszeit ist. Allein schon deshalb verdient sein vielgestaltiges Werk – bis hin zu seinen Tagebüchern und zur Korrespondenz – eine Integration in die Literatur- und Kulturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Ausgabe seiner Werke, Tagebücher und Briefe soll diesem Ziel Rechnung tragen.
Die Ferdinand Bruckner-Ausgabe entsteht in Zusammenarbeit mit der Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg im Rahmen der Projekte des Studienganges Editionswissenschaft der Freien Universität Berlin. Die Überlieferung der gedruckten und der ungedruckten Texte ist günstig. Der Nachlaß Bruckners befindet sich seit 1961 im Archiv der Akademie der Künste und kann in vollem Umfang für diese Ausgabe ausgewertet werden.
Die Edition ist als wissenschaftliche Ausgabe unter Berücksichtigung der vorhandenen Textüberlieferung konzipiert worden.
Die Struktur der Ausgabe ist durch die Textgattungen bestimmt: Schauspiele, Bearbeitungen und Übersetzungen, Schauspiele aus dem Nachlaß, Filmskripte, Prosa, Lyrik, Kleine Schriften, Tagebücher, Briefe. Innerhalb der Textgattungen gilt das chronologische Prinzip der Entstehung bzw. ersten Publikation, sei sie als Uraufführung oder als Erstdruck erfolgt.
Editorische Textgrundlage ist in der Regel die editio princeps. Varianten späterer Fassungen werden, sofern sie relevant sind, berücksichtigt.
Der Ausgabe werden Kommentarbände beigegeben, die neben den Sacherläuterungen die Überlieferung des Textes, seine Entstehung und seine Rezeption nach Möglichkeit darstellen werden. In besonderen Fällen sollen textgenetische Transkriptionen in einzelnen Studienbänden vorgelegt werden, die geeignet sind, die Arbeitsweise des Autors zu dokumentieren. Eine bündig-geschlossene Textgenese läßt sich allerdings nur im Ausnahmefall vorstellen, da vor allem bei den Texten aus den zwanziger Jahren und aus der Exilzeit zahlreiche textuelle Zwischenstufen verloren gegangen sind.
Sehr aufschlußreich für die Person des Autors und ihre Lebensumstände wird die Edition der Notiz- und Tagebücher sein, die in beträchtlichem Umfang erhalten sind. Sie umfassen über viertausend, meist kleinformatige Kalenderseiten mit unterschiedlich dichter Eintragungsfolge. Die Notizen sind – wie auch die Werkmanuskripte – seit den vierziger Jahren häufig in Gabelsberger Stenographie erfolgt. Die Eintragungen betreffen gesellschaftliche und politische Vorgänge, beziehen sich auf Werkkonzeptionen, Lektüren und Schreibkrisen; sie geben Auskünfte über Bruckners Verhältnis zu Kollegen.
Ebensolche Informationsqualität über Werk, Autor und Zeit besitzt der umfangreiche Briefwechsel Bruckners, von dem an die 6.000 Briefe, Postkarten und Telegramme im Nachlaß vorliegen; weitere Briefe dürften sich noch finden lassen. Zu den Korrespondenten gehören die bedeutendsten Geister der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Ausgabe wird mit einer Dokumentation zu Biographie, Bibliographie und Rezeption des Autors und mit einem ausführlichen Register zur Gesamtausgabe abgeschlossen werden.
Die Bände der Ausgabe werden als Einzelpublikationen vertrieben, so daß die Textbände ohne die umfangreichen wissenschaftlichen Beigaben auch ihre Aufgabe als Lese-Ausgabe erfüllen können, allerdings mit dem Vorteil, daß die Texte philologisch-kritisch behandelt worden sind, so daß auch dem am wissenschaftlichen Apparat weniger interessierten Leser zuverlässige Texte vorliegen.
Aktualisiert: 2020-01-20
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Vorwort
ALMUT WINTER: Der Feuilletonist Theodor Tagger
JOAQUÍN MORENO: Der Dramatiker Theodor Tagger. Zum dramatischen Frühwerk Ferdinand Bruckners
KAROLINE SPELSBERG: Theodor Taggers Auswahlausgabe Grösse und Nichtigkeit des Menschen von Blaise Pascal: Ausdruck der existenziellen Betroffenheit des Selbst
KLAUS VÖLKER: Theodor Tagger als Theaterunternehmer und Regisseur
STEFFI RECKNAGEL: An die Kritik denke ich nur mit Aufregung, vor allem Ihering. Was ER über den Theaterdirektor, Bauherrn und Dramatiker Theodor Tagger schrieb
ELGIN HELMSTAEDT: Literarisches Theater. Der Regisseur Theodor Tagger (am Renaissance-Theater 1923-1927)
KURT BARTSCH: Wir sind alle Verbrecher. Zu Ferdinand Bruckners Schauspiel Die Verbrecher (1928) im Kontext der „Erneuerung“ des Volksstücks in den 1920er/30er Jahren
WOLF BORCHERS: Der Paragraph selbst ist der Verbrecher. Realpolitische Argumentationslinien gegen den § 175 in Die Verbrecher
PETER PHILIPP RIEDL: Macht, Moral und Machiavellismus. Die Gegenwart der Geschichte in Ferdinand Bruckners Dramen Elisabeth von England und Simon Bolivar
CORINNA SCHLICHT: Die Marquise von O. – Vergewaltigung als Familienkonflikt. Überlegungen zu Cervantes, Kleist und Bruckner
PETER ROESSLER: Die Metamorphosen des Geistigen. Dramaturgische Beobachtungen zu den Intellektuellen-Figuren in Exildramen Ferdinand Bruckners
GUNNAR SZYMANIAK: Ich müsste den ganzen Tag schreiben, dass endlich auch aus den vielen großen Plänen etwas wird. Ferdinand Bruckners stenographische Notizen vor dem Hintergrund seiner Rückkehr aus dem Exil
DAVID BARNETT: „Zwischen Verbrechern und Krankheit der Jugend [.] hab ich das Regieführen gelernt.“: Rainer Werner Fassbinder’s Debt to Ferdinand Bruckner
Vita
Werkverzeichnis
Forschungsliteratur
Autorinnen und Autoren
Aktualisiert: 2020-01-20
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Ferdinand Bruckner, seit 1911 literarisch publizierend, gehört wie die nur wenige Jahre jüngeren Carl Zuckmayer und Bertolt Brecht zur Generation der erfolgreichen jungen Dramatiker der zweiten Hälfte der Weimarer Republik. Er wurde – Sohn eines österreichischen Bankkaufmanns jüdischer Konfession und einer französischen Übersetzerin – 1891 in Sofia als Theodor Tagger geboren. In Wien, Berlin und Graz wuchs er auf; er studierte Musik, Germanistik und Philosophie in Paris, Wien und Berlin. Er trat bereits in sehr jungen Jahren mit Veröffentlichungen – Essays, Rezensionen, Gedichte – hervor und begründete die aufwendig gestaltete, wenn auch kurzlebige ästhetische Zweimonatsschrift MARSYAS (1917-1919), in der Max Brod, Alfred Döblin, Kasimir Edschmid, Yvan Goll, Franz Kafka, Carl Sternheim – nur um diese zu nennen – gedruckt wurden.
Seit Beginn der zwanziger Jahre wandte er sich dem Theater zu und gehörte bald zu den vielgespielten Dramatikern seiner Zeit. Er änderte in dieser Zeit seinen Namen und legte sich das Pseudonym Ferdinand Bruckner zu, entstanden aus seiner Bewunderung für Ferdinand Raimund und Anton Bruckner. Erst 1930 lüftete er das Geheimnis, 1946 änderte er seinen bürgerlichen Namen offiziell in Ferdinand Bruckner um.
Mit seiner Frau Bettina Neuer gründete er 1922 in Berlin das Renaissance-Theater, mußte aber dessen Leitung später wegen finanzieller Fehlschläge abtreten; übernommen wurde die Direktion von Gustav Hartung. Zwischen 1928 und 1933 häuften sich die großen spektakulären, wenn auch nicht unumstrittenen Bühnenerfolge, die Bruckner mit seinen Zeitstücken und Historienstücken erlangte: Krankheit der Jugend (1926), Die Verbrecher (1928), Die Kreatur (1930), Elisabeth von England (1930), Timon (1932), Die Marquise von O. (1933). Der faschistische Terror zwang ihn, kurz nach der Machtübernahme Hitlers ins Exil zu gehen. Über Österreich und die Schweiz emigrierte er nach Paris. 1933 führte Gustav Hartung Bruckners antifaschistisches Zeitstück Die Rassen in Zürich am Schauspielhaus auf; das Stück fand eine „sehr günstige Aufnahme“, wie Thomas Mann in seinem Tagebuch notierte.
Die Emigrationszeit verbrachte Bruckner zunächst in Frankreich, ging dann aber 1936 in die USA, wo er in Hollywood für die Paramount Productions arbeiten sollte. Als sich die Kooperation zerschlug, ließ er sich in New York nieder und widmete sich seinem Werk – allerdings ohne Aussicht auf größere literarische Erfolge in der amerikanischen Öffentlichkeit. Er übersetzte seine und anderer Autoren Stücke ins Englische, arbeitete zeitweilig mit Erwin Piscator zusammen und gestaltete Probleme des Widerstands in neuen Historien- und Zeitstücken. Freilich fanden seine europäisch orientierten Texte kaum das Interesse der New Yorker Theater. Dennoch sind Bruckners antifaschistisches Engagement und sein literarischer und außerliterarischer Einsatz gegen die nazistische Gewaltherrschaft in Europa höchst beeindruckend und geschichtlich sehr verdienstvoll gewesen.
Nach Kriegsende versuchte Bruckner wieder im deutschsprachigen Kulturraum Fuß zu fassen, was aber nur schwer gelang. Die Kritik konnte mit seinem Spätwerk wenig anfangen. Seine Nachkriegsstücke wurden zwar da und dort gespielt, aber der große Erfolg der Jahre vor dem Exil stellte sich nicht mehr ein – weder in Deutschland noch in der Schweiz noch in Österreich.
Bruckner lebte seit 1953 bis zu seinem Tode am 5. Dezember 1958 in Berlin. Er war unter anderem als dramaturgischer Berater am Schillertheater tätig. Nach seinem Tode geriet sein Werk weitgehend in Vergessenheit; im Zuge der Erforschung der Literatur der Weimarer Republik und der Exilliteratur wurde man seiner erneut gewahr.
So hat Bruckners Gesamtwerk – abgesehen von einigen Teilpublikationen – keine Publizität erfahren. Das ist um so bedauerlicher, als Bruckner gerade zu den literarisch qualifiziertesten Seismographen der bewegten ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gehört und höchst aufschlußreich für die unterschiedlichsten geistigen Problemfelder des ersten Weltkriegs, der Weimarer Republik, des amerikanischen Exils und der Nachkriegszeit ist. Allein schon deshalb verdient sein vielgestaltiges Werk – bis hin zu seinen Tagebüchern und zur Korrespondenz – eine Integration in die Literatur- und Kulturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Ausgabe seiner Werke, Tagebücher und Briefe soll diesem Ziel Rechnung tragen.
Die Ferdinand Bruckner-Ausgabe entsteht in Zusammenarbeit mit der Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg im Rahmen der Projekte des Studienganges Editionswissenschaft der Freien Universität Berlin. Die Überlieferung der gedruckten und der ungedruckten Texte ist günstig. Der Nachlaß Bruckners befindet sich seit 1961 im Archiv der Akademie der Künste und kann in vollem Umfang für diese Ausgabe ausgewertet werden.
Die Edition ist als wissenschaftliche Ausgabe unter Berücksichtigung der vorhandenen Textüberlieferung konzipiert worden.
Die Struktur der Ausgabe ist durch die Textgattungen bestimmt: Schauspiele, Bearbeitungen und Übersetzungen, Schauspiele aus dem Nachlaß, Filmskripte, Prosa, Lyrik, Kleine Schriften, Tagebücher, Briefe. Innerhalb der Textgattungen gilt das chronologische Prinzip der Entstehung bzw. ersten Publikation, sei sie als Uraufführung oder als Erstdruck erfolgt.
Editorische Textgrundlage ist in der Regel die editio princeps. Varianten späterer Fassungen werden, sofern sie relevant sind, berücksichtigt.
Der Ausgabe werden Kommentarbände beigegeben, die neben den Sacherläuterungen die Überlieferung des Textes, seine Entstehung und seine Rezeption nach Möglichkeit darstellen werden. In besonderen Fällen sollen textgenetische Transkriptionen in einzelnen Studienbänden vorgelegt werden, die geeignet sind, die Arbeitsweise des Autors zu dokumentieren. Eine bündig-geschlossene Textgenese läßt sich allerdings nur im Ausnahmefall vorstellen, da vor allem bei den Texten aus den zwanziger Jahren und aus der Exilzeit zahlreiche textuelle Zwischenstufen verloren gegangen sind.
Sehr aufschlußreich für die Person des Autors und ihre Lebensumstände wird die Edition der Notiz- und Tagebücher sein, die in beträchtlichem Umfang erhalten sind. Sie umfassen über viertausend, meist kleinformatige Kalenderseiten mit unterschiedlich dichter Eintragungsfolge. Die Notizen sind – wie auch die Werkmanuskripte – seit den vierziger Jahren häufig in Gabelsberger Stenographie erfolgt. Die Eintragungen betreffen gesellschaftliche und politische Vorgänge, beziehen sich auf Werkkonzeptionen, Lektüren und Schreibkrisen; sie geben Auskünfte über Bruckners Verhältnis zu Kollegen.
Ebensolche Informationsqualität über Werk, Autor und Zeit besitzt der umfangreiche Briefwechsel Bruckners, von dem an die 6.000 Briefe, Postkarten und Telegramme im Nachlaß vorliegen; weitere Briefe dürften sich noch finden lassen. Zu den Korrespondenten gehören die bedeutendsten Geister der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Ausgabe wird mit einer Dokumentation zu Biographie, Bibliographie und Rezeption des Autors und mit einem ausführlichen Register zur Gesamtausgabe abgeschlossen werden.
Die Bände der Ausgabe werden als Einzelpublikationen vertrieben, so daß die Textbände ohne die umfangreichen wissenschaftlichen Beigaben auch ihre Aufgabe als Lese-Ausgabe erfüllen können, allerdings mit dem Vorteil, daß die Texte philologisch-kritisch behandelt worden sind, so daß auch dem am wissenschaftlichen Apparat weniger interessierten Leser zuverlässige Texte vorliegen.
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Ferdinand Bruckner, seit 1911 literarisch publizierend, gehört wie die nur wenige Jahre jüngeren Carl Zuckmayer und Bertolt Brecht zur Generation der erfolgreichen jungen Dramatiker der zweiten Hälfte der Weimarer Republik. Er wurde – Sohn eines österreichischen Bankkaufmanns jüdischer Konfession und einer französischen Übersetzerin – 1891 in Sofia als Theodor Tagger geboren. In Wien, Berlin und Graz wuchs er auf; er studierte Musik, Germanistik und Philosophie in Paris, Wien und Berlin. Er trat bereits in sehr jungen Jahren mit Veröffentlichungen – Essays, Rezensionen, Gedichte – hervor und begründete die aufwendig gestaltete, wenn auch kurzlebige ästhetische Zweimonatsschrift MARSYAS (1917-1919), in der Max Brod, Alfred Döblin, Kasimir Edschmid, Yvan Goll, Franz Kafka, Carl Sternheim – nur um diese zu nennen – gedruckt wurden.
Seit Beginn der zwanziger Jahre wandte er sich dem Theater zu und gehörte bald zu den vielgespielten Dramatikern seiner Zeit. Er änderte in dieser Zeit seinen Namen und legte sich das Pseudonym Ferdinand Bruckner zu, entstanden aus seiner Bewunderung für Ferdinand Raimund und Anton Bruckner. Erst 1930 lüftete er das Geheimnis, 1946 änderte er seinen bürgerlichen Namen offiziell in Ferdinand Bruckner um.
Mit seiner Frau Bettina Neuer gründete er 1922 in Berlin das Renaissance-Theater, mußte aber dessen Leitung später wegen finanzieller Fehlschläge abtreten; übernommen wurde die Direktion von Gustav Hartung. Zwischen 1928 und 1933 häuften sich die großen spektakulären, wenn auch nicht unumstrittenen Bühnenerfolge, die Bruckner mit seinen Zeitstücken und Historienstücken erlangte: Krankheit der Jugend (1926), Die Verbrecher (1928), Die Kreatur (1930), Elisabeth von England (1930), Timon (1932), Die Marquise von O. (1933). Der faschistische Terror zwang ihn, kurz nach der Machtübernahme Hitlers ins Exil zu gehen. Über Österreich und die Schweiz emigrierte er nach Paris. 1933 führte Gustav Hartung Bruckners antifaschistisches Zeitstück Die Rassen in Zürich am Schauspielhaus auf; das Stück fand eine „sehr günstige Aufnahme“, wie Thomas Mann in seinem Tagebuch notierte.
Die Emigrationszeit verbrachte Bruckner zunächst in Frankreich, ging dann aber 1936 in die USA, wo er in Hollywood für die Paramount Productions arbeiten sollte. Als sich die Kooperation zerschlug, ließ er sich in New York nieder und widmete sich seinem Werk – allerdings ohne Aussicht auf größere literarische Erfolge in der amerikanischen Öffentlichkeit. Er übersetzte seine und anderer Autoren Stücke ins Englische, arbeitete zeitweilig mit Erwin Piscator zusammen und gestaltete Probleme des Widerstands in neuen Historien- und Zeitstücken. Freilich fanden seine europäisch orientierten Texte kaum das Interesse der New Yorker Theater. Dennoch sind Bruckners antifaschistisches Engagement und sein literarischer und außerliterarischer Einsatz gegen die nazistische Gewaltherrschaft in Europa höchst beeindruckend und geschichtlich sehr verdienstvoll gewesen.
Nach Kriegsende versuchte Bruckner wieder im deutschsprachigen Kulturraum Fuß zu fassen, was aber nur schwer gelang. Die Kritik konnte mit seinem Spätwerk wenig anfangen. Seine Nachkriegsstücke wurden zwar da und dort gespielt, aber der große Erfolg der Jahre vor dem Exil stellte sich nicht mehr ein – weder in Deutschland noch in der Schweiz noch in Österreich.
Bruckner lebte seit 1953 bis zu seinem Tode am 5. Dezember 1958 in Berlin. Er war unter anderem als dramaturgischer Berater am Schillertheater tätig. Nach seinem Tode geriet sein Werk weitgehend in Vergessenheit; im Zuge der Erforschung der Literatur der Weimarer Republik und der Exilliteratur wurde man seiner erneut gewahr.
So hat Bruckners Gesamtwerk – abgesehen von einigen Teilpublikationen – keine Publizität erfahren. Das ist um so bedauerlicher, als Bruckner gerade zu den literarisch qualifiziertesten Seismographen der bewegten ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gehört und höchst aufschlußreich für die unterschiedlichsten geistigen Problemfelder des ersten Weltkriegs, der Weimarer Republik, des amerikanischen Exils und der Nachkriegszeit ist. Allein schon deshalb verdient sein vielgestaltiges Werk – bis hin zu seinen Tagebüchern und zur Korrespondenz – eine Integration in die Literatur- und Kulturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Ausgabe seiner Werke, Tagebücher und Briefe soll diesem Ziel Rechnung tragen.
Die Ferdinand Bruckner-Ausgabe entsteht in Zusammenarbeit mit der Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg im Rahmen der Projekte des Studienganges Editionswissenschaft der Freien Universität Berlin. Die Überlieferung der gedruckten und der ungedruckten Texte ist günstig. Der Nachlaß Bruckners befindet sich seit 1961 im Archiv der Akademie der Künste und kann in vollem Umfang für diese Ausgabe ausgewertet werden.
Die Edition ist als wissenschaftliche Ausgabe unter Berücksichtigung der vorhandenen Textüberlieferung konzipiert worden.
Die Struktur der Ausgabe ist durch die Textgattungen bestimmt: Schauspiele, Bearbeitungen und Übersetzungen, Schauspiele aus dem Nachlaß, Filmskripte, Prosa, Lyrik, Kleine Schriften, Tagebücher, Briefe. Innerhalb der Textgattungen gilt das chronologische Prinzip der Entstehung bzw. ersten Publikation, sei sie als Uraufführung oder als Erstdruck erfolgt.
Editorische Textgrundlage ist in der Regel die editio princeps. Varianten späterer Fassungen werden, sofern sie relevant sind, berücksichtigt.
Der Ausgabe werden Kommentarbände beigegeben, die neben den Sacherläuterungen die Überlieferung des Textes, seine Entstehung und seine Rezeption nach Möglichkeit darstellen werden. In besonderen Fällen sollen textgenetische Transkriptionen in einzelnen Studienbänden vorgelegt werden, die geeignet sind, die Arbeitsweise des Autors zu dokumentieren. Eine bündig-geschlossene Textgenese läßt sich allerdings nur im Ausnahmefall vorstellen, da vor allem bei den Texten aus den zwanziger Jahren und aus der Exilzeit zahlreiche textuelle Zwischenstufen verloren gegangen sind.
Sehr aufschlußreich für die Person des Autors und ihre Lebensumstände wird die Edition der Notiz- und Tagebücher sein, die in beträchtlichem Umfang erhalten sind. Sie umfassen über viertausend, meist kleinformatige Kalenderseiten mit unterschiedlich dichter Eintragungsfolge. Die Notizen sind – wie auch die Werkmanuskripte – seit den vierziger Jahren häufig in Gabelsberger Stenographie erfolgt. Die Eintragungen betreffen gesellschaftliche und politische Vorgänge, beziehen sich auf Werkkonzeptionen, Lektüren und Schreibkrisen; sie geben Auskünfte über Bruckners Verhältnis zu Kollegen.
Ebensolche Informationsqualität über Werk, Autor und Zeit besitzt der umfangreiche Briefwechsel Bruckners, von dem an die 6.000 Briefe, Postkarten und Telegramme im Nachlaß vorliegen; weitere Briefe dürften sich noch finden lassen. Zu den Korrespondenten gehören die bedeutendsten Geister der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Ausgabe wird mit einer Dokumentation zu Biographie, Bibliographie und Rezeption des Autors und mit einem ausführlichen Register zur Gesamtausgabe abgeschlossen werden.
Die Bände der Ausgabe werden als Einzelpublikationen vertrieben, so daß die Textbände ohne die umfangreichen wissenschaftlichen Beigaben auch ihre Aufgabe als Lese-Ausgabe erfüllen können, allerdings mit dem Vorteil, daß die Texte philologisch-kritisch behandelt worden sind, so daß auch dem am wissenschaftlichen Apparat weniger interessierten Leser zuverlässige Texte vorliegen.
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