Körper haben Konjunktur. Dies gilt gleichermaßen für die akademische Diskussion wie für die gesteigerte Aufmerksamkeit, die dem Körper in Alltag, Werbung und Medien zukommt. Im Hollywoodfilm spielt das Somatische seit jeher eine herausragende Rolle: Von Buster Keaton bis zu "American Beauty" (1999) geht die Faszination des Kinos ganz wesentlich von den dargestellten Körpern aus. Tischleder nimmt den Körperboom kritisch in den Blick und verweist auf seine Schattenseite: die prekäre Rolle des Körpers angesichts zunehmend abstrakter, von Körperlichkeit distanzierter Lebensbedingungen und Denkweisen. Die gegenwärtige Konjunktur des Körpers selbst scheint von einer Art body trouble motiviert. Im ersten Teil der Arbeit werden eine Vielzahl interdisziplinärer Ansätze aus den Bereichen Gender Studies, Philosophie, Semiotik, Medientheorie, Anthropologie, Psychoanalyse, Entwicklungspychologie und Kulturtheorie diskutiert und aufeinander bezogen. Im Zentrum des Interesses stehen unterschiedliche Phänomene von Entkörperlichung. Der zweite Teil des Buches ist dem amerikanischen Kino gewidmet. Es sind vor allem die rassisch-ethnischen und geschlechtlichen Differenzierungsmuster, die im Hinblick auf die Körperproblematik aufschlußreich sind. In ausführlichen Analysen dreier Filme – "Philadelphia", "Fargo" und "Titanic" – führt Tischleder vor, auf welch unterschiedliche Weise eine ›rassische‹ Ökonomie der Körper und ein Diskurs über Amerika miteinander verquickt sind.
Aktualisiert: 2021-12-09
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Körper haben Konjunktur. Dies gilt gleichermaßen für die akademische Diskussion wie für die gesteigerte Aufmerksamkeit, die dem Körper in Alltag, Werbung und Medien zukommt. Im Hollywoodfilm spielt das Somatische seit jeher eine herausragende Rolle: Von Buster Keaton bis zu American Beauty (1999) geht die Faszination des Kinos ganz wesentlich von den dargestellten Körpern aus. Tischleder nimmt den Körperboom kritisch in den Blick und verweist auf seine Schattenseite: die prekäre Rolle des Körpers angesichts zunehmend abstrakter, von Körperlichkeit distanzierter Lebensbedingungen und Denkweisen. Die gegenwärtige Konjunktur des Körpers selbst scheint von einer Art body trouble motiviert.
Im ersten Teil der Arbeit werden eine Vielzahl interdisziplinärer Ansätze aus den Bereichen Gender Studies, Philosophie, Semiotik, Medientheorie, Anthropologie, Psychoanalyse, Entwicklungspychologie und Kulturtheorie diskutiert und aufeinander bezogen. Im Zentrum des Interesses stehen unterschiedliche Phänomene von Entkörperlichung. Die Autorin setzt sich dabei sowohl mit der feministischen Körperdebatte, vor allem mit Judith Butler, auseinander, als auch mit Theorien zur leiblichen Ich-Genese und Sozialisation sowie mit dem Zusammenhang von zivilisatorischem Wandel und Körperempfinden. In einem weiteren Schritt wird Entkörperlichung als Aspekt moderner Gesellschaftsentwicklung diskutiert: Selbstverhältnisse sind einerseits von der Sorge um den Körper – seine Attraktivität, Leistungsfähigkeit und Gesundheit – bestimmt, andererseits werden Körper im (Arbeits-)Alltag zunehmend ruhiggestellt und marginalisiert.
Der zweite Teil des Buches ist dem amerikanischen Kino gewidmet. Es sind vor allem die rassisch-ethnischen und geschlechtlichen Differenzierungsmuster, die im Hinblick auf die Körperproblematik aufschlußreich sind. Die Aufmerksamkeit richtet sich insbesondere auf die Darstellung weißer Körper. Whiteness – als ästhetische Kategorie filmischer Körperinszenierung – und Entkörperlichung bilden in der Geschichte Hollywoods einen engen Zusammenhang. Steht der weiße Körper im frühen Hollywoodkino – etwa in Gestalt der idealisierten Frau – oftmals für die Errungenschaften weißer Zivilisation, so ist die Phänomenologie und Bedeutung des Weißen im Gegenwartskino durchaus ambivalent und vielschichtig.
In ausführlichen Analysen dreier Filme – Philadelphia, Fargo und Titanic – führt Tischleder vor, auf welch unterschiedliche Weise eine ›rassische‹ Ökonomie der Körper und ein Diskurs über Amerika miteinander verquickt sind. Zentrale Mythen der amerikanischen Kultur bilden auf je unterschiedliche Weise den ideologischen Bezugsrahmen dieser Filme, innerhalb dessen weiße Körper gelesen werden. Jedoch erst die detaillierte Analyse ästhetischer Inszenierungstechniken jenseits der filmischen Narration, erlaubt es, zu zeigen, auf welche Weise die Filme an die gegenwärtige Körperproblematik anknüpfen.
Die Frankfurter Amerikanistin Bärbel Tischleder wurde für ihre Dissertation zum Thema "Body Trouble - Entkörperlichung, Whiteness und das amerikanische Gegenwartskino" mit dem Cornelia Goethe-Preis ausgezeichnet. In ihrer Arbeit setzt sich die 34-Jährige sowohl mit der Körperdebatte in den Kunstwissenschaften als auch mit dem aktuellen amerikanischen Film auseinander. Es geht um den Körperboom und die Rolle des Körpers in der modernen und körperfernen Welt. Dargestellt wird dies anhand des zeitgenössischen Hollywoodkinos, dessen Faszination wesentlich von dargestellten Körpern ausgeht.
Für ihre Arbeit, die im Stroemfeld Verlag Frankfurt am Main erschienen ist, wurde die Autorin bereits im Juli mit dem Förderpreis 2002 der Deutschen Gesellschaft für Semiotik in Kassel geehrt. Die Auszeichnung des Cornelia Goethe Centrums, eine Einrichtung der Universität die sich mit Frauenstudien und der Erforschung der Geschlechterverhältnisse beschäftigt, ist mit 2000 Euro dotiert und wurde erstmals verliehen.
Aktualisiert: 2019-03-15
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