Mahler - Strauss - Pfitzner: Man könnte die drei in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts geborenen Zeitgenossen in jeder der vier möglichen Zweierkombinationen als Antipoden, freilich innerhalb des gleichen spätromantisch-frühmodernen Spektrums, bezeichnen. Mit anderen Komponisten, die Pfitzner als musikalisch Verwandte oder Weggefährten betrachtete, unterhielt er freundschaftliche Beziehungen. Auch die Zeitgenossen Engelbert Humperdinck (1854-1921), Wilhelm Kienzl (1857/-1941), Max Reger (1873-1916), Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948) oder gar Max Bruch (1838-1920) als Vertreter der älteren Generation, gehören dieser affinen Kategorie an. Der vorliegende Band als Jahrbuch der Hans Pfitzner-Gesellschaft 2019 beleuchtet das spannende Themenfeld "Pfitzner und Zeitgenossen".
Aktualisiert: 2022-06-26
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Nachdem die letzten Jahrgänge der Mitteilungen vorwiegend (2011–2014) oder ausschließlich (2015) einem Schwerpunktthema gewidmet waren, bieten wir Ihnen im vorliegenden Heft wieder einmal eine bunte Melange an Pfitzneriana. Erfreulich und interessant ist die Tatsache, dass manche Beiträge mit neuen Erkenntnissen oder mit der Veröffentlichung neuer bzw. längst vergessener Quellen aufwarten können; auch lassen sich immer noch Texte aus der Feder Hans Pfitzners finden, die nicht in den Gesammelten Schriften I−III oder in den Sämtlichen Schriften IV enthalten sind (S. 69f.; 117f.).
Dennoch gibt es auch in diesem Jahr eine substantielle thematische Abteilung. Am 8. Juli 2016 durften wir in der Beethovenhalle in Bonn eine herrliche Aufführung der Kantate Von deutscher Seele op. 28 unter der Lei-tung von Stefan Blunier erleben. Gleichfalls memorabel war die Interpre-tation desselben Werkes durch Hans Jaskulsky am 22. Januar 2015 im Auditorium Maximum der Ruhr-Universität Bochum. Wir nehmen diese beide Konzerte zum Anlass, Pfitzners ,zweitem Hauptwerk‘ neben den beiden diesbezüglichen Besprechungen vier Artikel allgemeiner Art zu widmen (S. 119–177); in einem dieser Aufsätze wird eine Reihe von drei-zehn Federzeichnungen, die Wilhelm Preetorius, der Sohn von Pfitzners Schondorfer Malerfreund Willy Preetorius, unter dem Eindruck des musi-kalischen Erlebnisses in jugendlichem Alter schuf, erstmals vollständig veröffentlicht (S. 160–177).
Die sechs Beiträge zur Kantate sowie Oswald Panagls „Notizen zu Hans Pfitzners op. 25“ (S. 32−35) schlagen zugleich eine Brücke zur Jahresgabe der Hans Pfitzner−Gesellschaft 2016: zu einer Doppel-CD mit histo-rischen Aufnahmen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv, die uns u. a. mit Pfitzners Interpretationen seiner Kantate Von deutscher Seele sowie der Zwei deutsche[n] Gesänge op. 25 bekanntmacht. Dieses einzigartige Tondokument wurde unseren Mitglieder im November 2016 zugestellt.
Ebenfalls thematisch gebunden ist Hans Rectanus’ Aufsatz „Hans Pfitz-ners Opernerstling Der arme Heinrich im Griff seiner Bearbeiter“ (S. 17–31), der als Nachtrag zu den Akten der Tagung ‚Der arme Heinrich‘ – Hartmann von Aue und seine moderne Rezeption (Bamberg, 5.–7. Februar 2015; = MHPG 75, 2015) zu betrachten ist. Wegen des Umfangs des Stoffes hat sich der Autor entschlossen, seinen Beitrag über zwei Hefte zu verteilen.
Für die nächste Zukunft ist es um die Präsenz von Pfitzners Werken in den Konzertsälen und Opernhäusern leider nicht zum Besten bestellt.
Insbesondere vermissen wir bis heute schmerzlich die Ankündigung einer Palestrina-Aufführung im Jubiläumjahr 2017; mögen die Dirigenten und Intendanten sich auf dieses historische Ereignis besinnen und ihr Ver-säumnis für die Opernsaison 2017/2018 nachholen!
Inwieweit diese bedauerliche Vernachlässigung mit dem negativen Ruf zusammenhängt, der dem schwierigen Menschen Pfitzner und seinem Handeln in der Zeit des Nationalsozialismus in den letzten Jahren immer stärker anhaftet (aber nicht immer verdient; vgl. dazu unten S. 36–62), ist schwer zu beurteilen. Immerhin ist festzustellen, dass sich jüngere Sänger und Kammermusiker dem Pfitznerschen OEuvre zunehmend zuwenden (davon zeugen auch die Konzert- und CD-Besprechungen in diesem Heft, S. 179–189); ihnen ist offensichtlich die Qualität der Musik eine wichtigere Richtschnur als die umstrittene Moral des Komponisten. Und das ist recht so, denn: „Es geht um Pfitzners Musik [...]; ihr Gespür für das Nicht-geheuere, das Dämonische, das Zwielichtige und Abgründige, und ihr Versuch, trotzdem soviel schöne Vergangenheit wie möglich zu retten“ (Johann Peter Vogel, im Vorwort zu seinem neuen Buch Seltsamste Mischung von wahrer Größe und Intoleranz – Hans Pfitzners ‚politisches‘ Denken; siehe unten S. 206f.).
Aktualisiert: 2021-01-09
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