GROSSES GRUSSWORT
an alle meine lieben Freunde, Leser, Zuhörer, die gegen-wärtigen und die künftigen
„… immer wieder Warnstädt“, wie sich das anhört! Aber das ist nun mal meist der Titel, unter dem ich seit einiger Zeit in Bibliotheken, Kulturhäusern und sogar Theatern aufzutreten pflege. Die Auftritte bringen mir Freude und, ich habe Ursache, das anzunehmen, auch meinen Zuhörern. Da ich nun aber nicht jeden Tag auf-trete und auch gar nicht weiß, wie sich das alles weiter entwickeln wird, habe ich mir hier einige Auftritte ausgedacht, niedergeschrieben und in dieses Buch gebracht, womit ich jetzt quasi und sozusagen vor Ihnen jederzeit zu Hause auftreten kann. Ich finde das eine gute Idee, denn dadurch, meine ich, überbrücken wir zum einen die Zeit, bis wir uns eines Tages vielleicht und hoffentlich denn doch mal bei einem meiner mittlerweile so berühmten Leseauftritte persönlich begegnen, und so verlieren wir uns zum andern auch nicht etwa gegenseitig aus dem Gedächtnis, denn das wäre doch, meine ich auch, wirklich schade.
Als ich kürzlich wieder einmal Gast bei einer Radiostation war, kam da die bekannte Frage: „Herr Warnstädt, warum machen Sie das eigentlich alles? Sie schreiben Bücher, machen Ihre Leseauftritte … Sie könnten aber nun doch auch einfach das ruhige und behagliche Leben eines Rentners oder Pensionisten führen, wie man es sich üblicherweise vorstellt. Warum also?“
Glücklicherweise konnte ich sofort und schön antwor-ten. Das verdanke ich keinem Geringeren als meinem Opern- und Theaterheiligen Walter Felsenstein, mit dem ich mich gerade wieder einmal ganz intensiv beschäftige und dem ich die wunderbarsten Opern- und Theater-abende und damit die besten Einblicke in die Musik- und Theaterkultur verdanke. Dieser Felsenstein hat einmal gesagt: „Ich will das Theater verbessern, wer das Theater verbessert, verbessert die Welt.“ Ich finde das großartig, übernehme es daher für mich und sage, ich will informieren, Auskunft geben, meine Erlebnisse, Erfahrungen, Ansichten unter die Leute bringen, damit die über die Justiz, die Gerichte, die Gerechtigkeit und auch noch alles andere, was mich interessiert und was mir etwas bedeutet, mindestens so im Bilde sind, wie ich mir einbilde, im Bilde zu sein. Das geht, ganz wichtig, allerdings nur, wenn man dabei unterhaltsam ist. Auch für diese Einsicht berufe ich mich auf Felsenstein. Der hat seinem Bekenntnis nämlich gleich noch den Satz angeschlossen: „Aber ohne Unterhaltung ist alles nichts wert.“ Ganz und gar meine Meinung, mit Langeweile bringt man die besten Erkenntnisse nicht unter die Leu-te, aber dahin gehören sie und dahin müssen sie deshalb auch gebracht werden.
Das alles ist mir eigentlich nichts Neues. Ich erzähle gern, habe, von Kindheit an, immer gern erzählt, Erleb-nisse, Geschichten, Ereignisse, aus der Schule, von den Ferien, von Reisen und Ausflügen, meinen zahlreichen Theaterbesuchen, von meinen Ausbildungsjahren, schließlich aus meiner Berufstätigkeit, aus der sogar be-sonders. Gerade im Kriminalgericht Moabit, wo ich mehrere Jahre Staatsanwalt war und schließlich glatte fünfundzwanzig Jahre Strafrichter, gerade dort, wo häu-fig die Fabulierfreude zu vertrocknen beginnt, dort hat sich meine Erzählfreude erst so richtig entfaltet, unter-haltende Information, das war dort anerkanntermaßen meine Spezialität, kein Wunder, denn was habe ich in dem berühmtesten Gericht Deutschlands nicht alles er-lebt und wer und was ist mir da nicht alles begegnet! Al-le, denen ich dort begegnete, brachten ihre Geschichten mit und erzählten sie mir, kurze oder lange Geschichten, wahre oder unwahre, spannende oder langweilige, rüh-rende oder abstoßende. Solange ich im Gerichtssaal saß, war es meine amtliche Aufgabe, das alles zu bewerten, zu beurteilen, zu verarbeiten und dann darüber zu in-formieren, jetzt, wo ich den Gerichtssaal verlassen habe, setze ich das aus freien Stücken fort, man kann sogar sa-gen, lege ich erst richtig los.
Ich habe, wie Sie wahrscheinlich wissen, nach meiner Pensionierung nach und nach drei Bücher herausgege-ben und mit eben diesen „gesammelten Werken“ und vor allem natürlich auch mit mir selbst erscheine ich jetzt unter dem „ …immer wieder Warnstädt“ landab und landauf. Hier ganz schnell ein Blick auf meine „ge-sammelten Werke“: In meinem ersten Werk („Recht so“, 1.Auflage 2003, 2.Auflage 2007) kann man achtzig meiner Strafgerichtsurteile aus meiner Strafrichterzeit im Kriminalgericht Moabit im Original lesen. Im Original! Das ist neu, das gab es bislang noch nicht. Und noch etwas hat man sonst auch nicht, und das ist, man kann meine Urteile verstehen, denn ich schreibe in einer Sprache, die sich von dem meist fürchterlichen Juristen-, Politiker- und Beamten-Deutsch gewaltig unterscheidet, hätte mich sonst damit auch gar nicht vor Sie hin gewagt. In diesen Urteilen eröffne ich dem Leser ein großes Panorama des Strafrechts und des Strafprozesses und vor allem der Menschen, die sich darin bewegen. In meinem zweiten Werk („Herr Richter, was spricht er?“, 1. Auflage 2004, 2.Auflage 2007) erweitere und ergänze ich das durch Geschichten, Erinnerungen, Anekdoten, Ereignisse, Begebenheiten nicht nur aus meinem Ge-richts-, sondern, alles ist eine Einheit, auch aus meinem Privatleben, und schließlich in meinem dritten Werk („Ortstermine“, 2007) ergänze ich das, runde es ab und mache ich Sie mit dem bekannt, was durch meine bis-lang weit über hundert Leseauftritte an Interessantem hinzugekommen ist.
Und jetzt hier in diesem Buch also sechsundzwanzig neue Auftritte! Lesen Sie, es lohnt sich, Sie erfahren auf unterhaltsame Weise viele interessante Dinge. Ich berufe mich dabei darauf, was eine mir offensichtlich wohlwollend gesinnte Journalistin über meine Auftritte einmal wörtlich geschrieben hat:
„Jetzt zieht der frühere Richter mit seinem neuen Buch … durchs Land. Zugegeben, eigentlich liest Rüdiger Warnstädt gar nicht. Er schwadroniert, improvisiert und erheitert das Publikum … Aber vielleicht ist ja gerade das das Erfolgsrezept von Berlins bekanntestem Amtsrichter: Ist eine neue "Lesung" mit Warnstädt angesetzt, ist auch schon der Stuhl in der letzten Reihe reserviert. Bei Warnstädt lacht das Publikum Tränen. Man mag seine Betrachtungen brillant finden, rechthaberisch, komisch, selbstverliebt, geistreich, zauselig, ironisch - langweilig sind sie ganz sicher nicht.
Ist das nicht köstlich? Ja, es ist köstlich, ich freue mich und Schwadronieren, das ist auch genau richtig gesagt, fängt absolut meine Spezialität ein, ich komme nämlich häufig vom Hundertsten ins Tausendste, aber, keine Angst, meist auch wieder zurück, ich hätte „Vom Hun-dertsten ins Tausendste und zurück“ fast sogar zum Titel meiner Auftritte und auch dieses Buches gemacht.
Seien Sie ganz herzlich gegrüßt von Ihrem alten
Rüdiger Warnstädt