Gemünden ist eine bescheidene Gemeinde mit rund 1.300 Einwohnern am südwestlichen Ausläufer des Soonwalds. Ein Schloß ziert das malerische Panorama der Hunsrückortschaft. Dass jede Dorfgeschichte neben den schillernden auch ihre schattigen Seiten kennt, wird zwar immer vermutet, aber nicht jedesmal eröffnen sich solche Abgründe wie in Gemünden zur Zeit des Dritten Reiches. Hier machten schon die frühesten NS-Ideologen Station, hier gab es die ersten "Saalschlachten", hier wurde die jüdische Bevölkerung bis auf den letzten Angehörigen für immer vertrieben. Und wenn etwa von hochrangigen NS-Funktionären die Rede ist, die aus dem Hunsrück kamen, dann ist eine Vermutung fast immer richtig: Sie stammten aus Gemünden.
Wer heute durch den "Flecken" geht, erkennt von alledem leider nichts. Nicht, dass die jüdische Gemeinde fast vollständig deportiert wurde; nicht, dass einzelne vermutlich schon an Ort und Stelle umgebracht wurden; nicht, wo die Synagoge stand und auch nicht, wo sich die letzten Judengräber befinden. Keine Hinweise - die Spuren sind sauber verwischt, und auch Chronisten, die dem Vergessen Einhalt gebieten, kennt Gemünden nicht.
Meine Arbeit muss sich daher aus Fragmenten, aus sporadischen Regionalquellen in Archiven und aus Zeitzeugenaussagen speisen. Insbesondere bezüglich der Zeitzeugen erwies es sich als traurige Realität, wie in so vielen anderen Regionalstudien auch, dass sich nur wenige Menschen bereiterklären, Auskunft über die belastende Vergangenheit zu geben. Es ist mir ein Anliegen, die Arbeit dennoch zu wagen, auch wenn sie nur Episoden, gewissermaßen die "Highlights" der Abgründe, wiedergibt; denn ich glaube, dass ich zum Aufschreiben verpflichtet bin, solange noch Zeitzeugen leben. Namen habe ich bewusst genannt, nicht um Schuld zuzuweisen, sondern um die Authentizität zu wahren.
Auf eines möchte ich jedoch hinweisen: Mir als jungem Menschen ist vieles von dem, was damals geschah, unbegreiflich. Ich habe die Geschehnisse in einer einfachen Sprache aufgezeichnet. Eine andere, gar wissenschaftliche Sprachform zu finden, war mir nicht möglich. Man mag es mir nachsehen und bedenken, dass die folgende Darstellung die erste ihrer Art für Gemünden ist
Aktualisiert: 2023-06-23
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Gemünden ist eine bescheidene Gemeinde mit rund 1.300 Einwohnern am südwestlichen Ausläufer des Soonwalds. Ein Schloß ziert das malerische Panorama der Hunsrückortschaft. Dass jede Dorfgeschichte neben den schillernden auch ihre schattigen Seiten kennt, wird zwar immer vermutet, aber nicht jedesmal eröffnen sich solche Abgründe wie in Gemünden zur Zeit des Dritten Reiches. Hier machten schon die frühesten NS-Ideologen Station, hier gab es die ersten "Saalschlachten", hier wurde die jüdische Bevölkerung bis auf den letzten Angehörigen für immer vertrieben. Und wenn etwa von hochrangigen NS-Funktionären die Rede ist, die aus dem Hunsrück kamen, dann ist eine Vermutung fast immer richtig: Sie stammten aus Gemünden.
Wer heute durch den "Flecken" geht, erkennt von alledem leider nichts. Nicht, dass die jüdische Gemeinde fast vollständig deportiert wurde; nicht, dass einzelne vermutlich schon an Ort und Stelle umgebracht wurden; nicht, wo die Synagoge stand und auch nicht, wo sich die letzten Judengräber befinden. Keine Hinweise - die Spuren sind sauber verwischt, und auch Chronisten, die dem Vergessen Einhalt gebieten, kennt Gemünden nicht.
Meine Arbeit muss sich daher aus Fragmenten, aus sporadischen Regionalquellen in Archiven und aus Zeitzeugenaussagen speisen. Insbesondere bezüglich der Zeitzeugen erwies es sich als traurige Realität, wie in so vielen anderen Regionalstudien auch, dass sich nur wenige Menschen bereiterklären, Auskunft über die belastende Vergangenheit zu geben. Es ist mir ein Anliegen, die Arbeit dennoch zu wagen, auch wenn sie nur Episoden, gewissermaßen die "Highlights" der Abgründe, wiedergibt; denn ich glaube, dass ich zum Aufschreiben verpflichtet bin, solange noch Zeitzeugen leben. Namen habe ich bewusst genannt, nicht um Schuld zuzuweisen, sondern um die Authentizität zu wahren.
Auf eines möchte ich jedoch hinweisen: Mir als jungem Menschen ist vieles von dem, was damals geschah, unbegreiflich. Ich habe die Geschehnisse in einer einfachen Sprache aufgezeichnet. Eine andere, gar wissenschaftliche Sprachform zu finden, war mir nicht möglich. Man mag es mir nachsehen und bedenken, dass die folgende Darstellung die erste ihrer Art für Gemünden ist
Aktualisiert: 2023-06-23
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Ich weiß nicht, liebe Leserin, lieber Leser, wie alt Sie sind, und was Sie alles bisher erlebt haben. Haben Sie sich dieses Buch zum Lesen ausgewählt, müssen Sie - zumindest seelisch - damit zu tun haben, was die Geschichte des 20. Jahrhunderts an Heimsuchungen für die Menschen Europas mitgebracht hatte. Leiden durch die Hand anderer Menschen wurde den meisten - und wird heute noch vielen - reichlich zuteil. Dieses Buch stellt aber nicht das Leiden selbst dar, sondern die Heilung von den Traumata. Wir Frauen sind ja mehr an Heilung als an Grausamkeiten interessiert. Es ist also eine Frauengeschichte.
Ich bin geboren und lebe in einem Land - Ungarn -, wo sowohl Hitler als auch Stalin viele fleißige Vollstrecker gefunden hatten. Die gesellschaftliche Gruppe, der ich zugehöre, erhielt in beiden Zeitperioden ihre schweren Schicksalsprüfungen. Durch dieses Buch möchte ich meinen Lieben ein Denkmal setzen, die mit geradem Rückgrat, ohne sich mit ihren erlittenen Leiden zu brüsten, diesen doppelten Sturm der Geschichte ertragen haben. Sie wollten ihren Kindern nicht Hass, sondern Verständnis und Solidarität beibringen; sie waren imstande, ihre Kinder nach all den Grauen des Holocausts die Liebe zu lehren, da sie aus ihrem früheren Leben über genügend Liebesquellen verfügten.
Mein Vater wurde 1944, im Laufe seines Arbeitsdienstes nach Mauthausen verschleppt. Er kehrte heim und verschwand - kaum Vater - in einer schönen Frühlingsnacht 1950 wieder für drei Jahre in einem stalinistischen Arbeitslager. Nie in seinem Leben erzählte er uns etwas über diese Zeiten. Sowohl er als auch meine Mutter wollten vermeiden, dass wir die Menschen hassen, unter denen wir leben. Hier folge ich ihren Intentionen, indem ich nun mit keinem einzigen Wort die Grausamkeiten jener Zeit direkt darstelle. Ich erzähle über das liebevolle Aneinanderklammern während der Zeit der ständigen Angst darüber, also, was ich als Kind in meiner Umgebung erlebt habe.
Aktualisiert: 2022-05-09
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Inhalt
Vorwort Erhard Roy Wiehn: Das Gewissen der Welt blieb ungerührt
Bertrand RusselIs Rede vom 9. April 1953 in London zum
10. Jahrestag des Aufstandes in Warschau: Was die Juden erlitten haben
I. Ghettochronologie
1. Rückblick
2. Blitzkrieg
3. Ghettogeschichte
4. Massensterben
5. Liquidierung
6. Kampforganisation
7. Alarmbereitschaft
8. Ghettoaufstand
9. Straßenkämpfe
10. Widerstandsnester
11. Ghettobrände
12. Partisanentaktik
13. Kampfhandlungen
14. Abwehrfeuer
15. Selbstmord
16. Schlussakkord
17. Trümmerwüste
18. Zeitzeugnisse
II. Überlebensschicksale
Gespräch mit Adam Friedmann: Der Bart des orthodoxen Juden
Gespräch mit Joseph Mlawski: Ein Zufall hat mir das Leben gerettet
Sigmund Nissenbaum: Ich war auf dem Umschlagplatz
III. Anhang
Zur Stiftung der Familie Nissenbaum
Zu 'Kaddisch - Totengebet in Polen'
Ausgewählte Literatur
Herausgeber
Aktualisiert: 2020-12-16
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Maria Goudsblom-Oestreicher
Ein einmaliger Arzt-Kalender
Fast fünfzig Jahre hat das Konzentrationslager-Tagebuch meines Vaters Felix Hermann Oestreicher in einem Schrank gelegen, zusammen mit anderen seiner persönlichen Papiere und Tagebücher. Es ist ein kleines Büchlein in einem abgegriffenen Lederetui. Immer wieder schaute ich es an und versuchte es zu lesen, was mir jedoch unmöglich war. Ich konnte die zumeist mit Bleistift unter einer Lupe geschriebenen Buchstaben in deutscher Handschrift einfach nicht entziffern. So legte ich das Tagebuch wieder beiseite und vergaß es.
Ich wußte ja aus eigenem Erleben, wie es gewesen war, wie das Lager Bergen-Belsen aussah, und ich hatte lange Zeit nicht das Bedürfnis, daran erinnert zu werden. Meine Schwester Beate und ich hatten dieses Büchlein aus Tröbitz nach Amsterdam mitgenommen, wie mein Vater es wünschte, als er selbst krank wurde, nachdem unsere Mutter schon an Flecktyphus gestorben war. Vater starb bald darauf im Hospital.
Als ich im Frühjahr 1994 einmal beiläufig meiner Freundin Anneliese Nassuth - die aus Deutschland stammt, aber seit Jahren in Amsterdam wohnt - davon erzäWte, meinte sie: "Vielleicht kann ich es lesen." Nicht nur konnte sie die Handschrift lesen, sie war auch bereit, mehr als ein Jahr daran zu arbeiten, um die Entzifferung zu ermöglichen. Jetzt kann auch ich die Handschrift lesen, nachdem ich jede von meiner Freundin entzifferte Seite abgetippt hatte. Noch nicht jedes Wort konnte verstanden werden, aber das meiste immerhin. Unsere gemeinsame Arbeit liegt hiermit vor.
Das Tagebuch beginnt mit dem Tag unserer Verhaftung am 1. November 1943; der letzte Eintrag ist vom 21. Mai 1945. Am 31. Mai 1945 starb unsere Mutter, Gerda Oestreicher-Laqueur, 39 Jahre alt, in Tröbitz, Schildastraße 12, und am 9. Juni 1945 starb unser Vater, Felix Hermann Oestreicher, 51 Jahre alt. Beate, damals 10 Jahre alt, und ich, gerade 9 Jahre alt, wurden von Freunden unserer Eltern von Tröbitz nach Amsterdam gebracht. Dort trafen wir meine Zwillingsschwester Helly, welche die vergangenen Jahre bei einer Bauernfamilie "untergetaucht" überlebt hatte.
Mein Vater hatte sicherlich die Absicht, den Text seines Tagebuches für seine Memoiren über diese Zeit zu benutzen, wie sie auch andere später geschrieben haben. Jetzt liegen nur Daten seines Tagebuchs vor, die nackten Tatsachen des schrecklichen Lebens dieser Zeit. Die Registrierung der täglichen Verpflegung, die harte Arbeit im "Schuh-Kommando", die immer geringeren Möglichkeiten, sich als Arzt um seine Patienten wirklich kümmern zu können, der Ärger mit den Kollegen, der Schmutz und Hunger, das schwierige Verhältnis zu seiner Frau, das alles ist auch mir in Erinnerung geblieben. So war es seinerzeit.
Aber ich erinnere mich auch, daß mein Vater uns Kindern, wie er schreibt, die griechischen Heldensagen und so viele andere Geschichten erzählte, daß er aus der Bibel vorlas, ohne etwas wegzulassen. Diese Geschichten und die Sorge unserer Murter und Großmurter haben Beates und mein Überleben ermöglicht. Und diese Erzählungen lassen mich an jene Zeit zurückdenken, nicht nur als farblose und traurige Welt, sondern auch als Erlebnis, das mir die Erfahrung brachte, daß es auf dieser Welt sehr viel Schönes und Erfreuliches gibt und auch gute Menschen.
(…)
Als die Abschrift im Juni 1997 fertig war, gab ich sie zuerst meiner Schwester Beate, die sie jedoch nicht mehr richtig lesen konnte, weil sie schon sehr krank war. Sie starb am 29. September 1997 an Krebs. Sie sagte nur: "Ich erinnere mich nicht mehr an Einzelheiten wie du, sondern nur, daß ich immerfort Angst hatte." Wir hatten uns eigentlich sehr wenig über diese gemeinsame Zeit im Lager unterhalten.
Ende 1998 habe ich den Text schließlich Roy Wiehn geschickt, ich kannte ihn schon viele Jahre, wußte auch von seiner Arbeit und seiner Leidenschaft für das Schicksal der Juden während dieser schrecklichen Jahre des Krieges 1939-1945. Roy war sofort bereit, das Tagebuch meines Vaters in seiner Publikationsreihe herauszugeben. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, und es hat mich sehr gefreut, daß wir so gut zusammenarbeiten konnten.
Die meisten Fotos in diesem Buch stammen von meiner Tante Mariechen, der Fotografm Maria Austria (Maria Oestreicher, 1915-1975, Schwester meines Vaters), die uns als Kinder wie später auch meine Kinder oft fotografierte; das Copyright dieser Fotos gehört jetzt dem 'Maria Austria Instituut' in Amsterdam.
Meine Schwester Helly sagte mir nach Lektüre der ersten Computer-Ausdrucke, daß sie das Gefühl habe, ihren Vater nun wieder ein wenig zurückzubekommen.
So war es, und so ist dieses Buch entstanden. Mein Mann Joop Goudsblom hat mir immer zugehört und diese Arbeit durch sein Mitgefühl unterstützt.
Amsterdam, im Dezember 1999
Aktualisiert: 2020-12-10
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Johanna Geissmar wurde am 7. Dezember 1877 als jüngstes Kind einer angesehenen deutsch-jüdischen Familie in Mannheim geboren. Zu ihren Vorfahren zählten Rabbiner, Kantoren und Religionslehrer. Ihr Vater Josef war ein bekannter Rechtsanwalt. Für die schöne und kluge Johanna kam ein Studium zunächst nicht in Frage, da ihr als Frau des Jahrgangs 1877 die Universitäten noch verschlossen blieben. Nach dem Tod des Vaters kam für die unverheiratete Johanna die Zeit des Aufbruchs: Im Jahre 1900 wurden erstmals Frauen an der Heidelberger Universität zugelassen. Johanna holte das Abitur nach und wählte Medizin als Studienfach. Nach ihrer Dissertation 1916 blieb sie als Ärztin im Lazarettdienst, wo sie das Elend des Krieges hautnah miterlebte. Ab dem Jahre 1920 praktizierte sie als Kinderärztin in Heidelberg und wurde bald von arm und reich geschätzt. Anfang 1933 musste ihre Praxis geschlossen werden, da im nationalsozialistischen Deutschen Reich jüdische Ärztinnen /Ärzte keine Kassenverträge mehr bekamen. Am 28. August 1933 meldete Johanna Geissmar sich beim Einwohneramt der Stadt Heidelberg ab, blieb aber in Deutschland. Zunächst zog sie in den Schwarzwald nach Bärental, ab 1935 lebte sie in Saig. In diesem kleinen Ort wurde bald bekannt, dass sie Jüdin war. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde Johanna Geissmar tätlich angegriffen. Sie fand Zuflucht bei ihrer Freundin Erika Schwoerer, deren Familie kein Hehl aus ihrer Verachtung für den Nationalsozialismus machte. Als die Lage immer bedrohlicher wurde, wandte sich Erika an den evangelischen Pfarrer Martin Huß, der ein Mitglied der "Bekennenden Kirche" war. Doch diese Hilfe war vergebens. Die Ärztin wurde von der Gestapo am 23. Oktober 1940 zu einer der drei Sammelstellen gebracht und in das Lager von Gurs deportiert. Im August 1942 wurde sie nach Auschwitz-Birkenau transportiert. Obwohl ihr Name nicht auf der Liste stand, meldete sie sich freiwillig, vor allem weil sie hoffte, ihre Geschwister dort zu finden. Als Todestag kann ihr Ankunftstag in Auschwitz-Birkenau gesehen werden: der 14. August 1942. In einem Vorwort schreibt Margot Wicki-Schwarzschild, die als neunjähriges Mädchen nach Gurs deportiert wurde, zu Recht: "Das vorliegende Buch ist eine Hommage an eine große Frau und zugleich eine weiteres Werk gegen das Vergessen."
Aktualisiert: 2023-03-30
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Martin Groß
Eine Botschafterin der Versöhnung
Die Versöhnung ist für jede menschliche Gemeinschaft, für jede Gesellschaftsordnung, für jede Kultur ein grundlegender Akt. Wenn Kultur tatsächlich das Mittel ist, durch das der Mensch immer mehr Mensch wird, dann ist Versöhnung der Weg zu einer wirklich humanistischen Kultur.
Inge Auerbacher gelang schon in ihrem ersten Buch Ich bin ein Stern, pädagogisch ambitioniert, fesselnd geschrieben und leicht verstehbar eine Kultur der Versöhnung zu proklamieren. Als Botschafterin der Versöhnung, Toleranz und Menschlichkeit ist Inge Auerbacher in den USA, in Europa und in Israel unterwegs. Wer erlebt hat, wie sie insbesondere Jugendliche, aber auch Erwachsene sehr herzlich und versöhnlich für Versöhnung, Toleranz und Menschlichkeit anspricht und gewinnt, der wird sich dafür interessieren, welchen Weg diese Frau gegangen ist, als sie nach ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager Theresienstadt den gelben Stern abgelegt hatte, um in den USA ein neues Leben zu beginnen. Es ist von höchstem Interesse, lesen zu können, wie Inge Auerbacher in ihrem Leben den Teufelskreis des Beschuldigens und Hassens durchbrochen und aufgehoben hat. Dieses Buch gibt Gelegenheit dazu.
Für den Deutsch-Israelischen Arbeitskreis südlicher Oberrhein (DIA), der seit über 30 Jahren den deutsch-jüdischen und den jüdisch-christlichen Dialog vorantreibt und maßgebliche Impulse für die Versöhnung gesetzt hat, ist Inge Auerbacher eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Versöhnungsarbeit. Ihr Name steht für Versöhnung. Wir wünschen ihrem Buch, daß es die Herzen der Menschen jeden Alters erreichen möge. Wir hoffen, daß mit diesem Buch die Versöhnung immer mehr Eingang findet in unserer Gesellschaft. Wir denken, daß dieses Buch die Kultur der Versöhnung als Weg zu einer wirklich humanistischen Gesellschaft unumkehrbar machen hilft.
Lahr, 20. Mai 2005
Aktualisiert: 2023-03-23
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Aus dem Vorwort von Werner Simsohn
…
Die vorliegende Schrift enthält als I. Judenfeindschaft in der Zeitung Auszüge aus der 'Geraer Zeitung' bzw. bis zur Fusion der beiden Blätter aus dem 'Geraer Beobachter'. Die Zitate dürften für sich sprechen; gelegentlich werden Erläuterungen oder Verweise auf die beiden früheren Bände des Verfassers angefügt.
Die 12-jährige NS-Propaganda war eines der furchtbaren Mittel zur seelischen Folter der Verfolgten, aber eben ein Mittel, viele Deutschen entweder zu willigen Vollstreckern oder zu gleichgültigen Zuschauern zu machen.
Weitere Ergänzungen der beiden früheren Bände über jüdisches Leben in Gera finden sich in II. Leben, Leiden im NS-Staat, Folgen, nicht zuletzt auch wieder Dokumente und Fotos.
…
Aktualisiert: 2021-12-30
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Aus dem Vorwort von Mordecai Paldiel:
Der Weg der Gerechten, da liegt er vor uns: Er öffnet sich den Besuchern von Yad Vashem. Man nennt diesen Weg "Die Allee der Gerechten unter den Völkern". Entlang dem "Hügel der Erinnerung", einem der vielen Hügel in Jerusalem, erstreckt sich die "Allee der Gerechten", zu beiden Seiten von mehreren Baumreihen umgrenzt. Sie öffnet uns einen weiten Horizont, einen großartigen Blick. Besucherinnen und Besucher sind vielleicht erstaunt, hatten sie doch wohl geglaubt, sogleich mit der Wirklichkeit der Todeslager konfrontiert zu werden, hinabzusteigen in die Hölle des Schreckens. Stattdessen ist der erste Anblick tiefes Grün, Bäume, schöne, starke Bäume. Es sind symbolische Bäume, denn jeder von ihnen soll daran erinnern, dass das Wichtigste im Leben ist, Mensch zu sein.
Am Fuß jeden Baumes findet sich auf einem Schild ein Name von Frauen und Männern, Laien oder Geistlichen, Polen, Holländern, Belgiern, Franzosen und anderen. Namen, die ohne dieses Schildchen unbekannt geblieben wären. Und dieser Name ist der eines Nichtjuden, der eines Tages auf den Anruf Gottes und seines Menschenbruders gehört hatte; denn nach Jesaja (56:3-5) werden Menschen aller Völker, die Gott dienen, auch einen ewigen Platz in Jerusalem haben. Und wenn einem der Name nicht genügt, wenn man etwas über den Menschen wissen möchte und vielleicht einen Blick in seine Akte tut, dann kann man ergreifende Motivationen für die Taten finden, wie z.B. die folgende:
"Ich habe getan, was ich musste während des Krieges, weil mein Gewissen mir befahl, so zu handeln. Es war nicht nur, um den Verfolgten zu helfen, sondern weil, wenn ich es nicht getan hätte, meine geistige Freiheit gelitten hätte. Ich musste es für mich tun, um frei zu sein. - Elisabeth Nancy Van Steenhoven-Spander, Niederlande"
Der Holocaust war ein staatlich dirigiertes Mordunternehmen, ausgeführt von Uniformierten, von organisierten Gruppen unter Massenpsychose und dem Gruppenwahnsinn verfallen. Ihnen gegenüber standen jene, die retteten, in eigener Verantwortung handelten als sittlich hochstehende Einzelwesen; ihr Handeln entsprang der persönlichen Überzeugung, nicht der einer Gruppe; einfach als Verpflichtung gegenüber denen in Not. Sie handelten nicht unter dem Einfluss der Gesellschaft, sondern im Gegensatz zu ihr. Sie konnten nicht die gut geölte Nazi-Mordmaschinerie aus den Gleisen werfen, sie konnten nur einen Bruchteil der Todgeweihten retten.
Yad Vashem, Israels nationale Holocaust-Gedenkstätte, entwickelte ein Programm, Nichtjuden zu finden und zu ehren, die ihr Leben einsetzten, um Jüdinnen und Juden vor den Deutschen und ihren Handlangern zu retten. Bis zum heutigen Tage wurden mehr als 16.000 Männer und Frauen ausgezeichnet. Sie stammen aus fast allen europäischen Ländern, Menschen aus allen Lebensbereichen, Gebildete und einfache, schlichte Handwerker und Arbeiter, Geistliche und Laien - alle wurden sie ausgezeichnet mit dem Titel "Gerechter unter den Nationen", die höchste Ehrung in der israelischen Tradition, mit der Nichtjuden ausgezeichnet werden können, die durch ihre Taten das allgemeine Prinzip von Gerechtigkeit und Moral verteidigt haben.
Im folgenden soll gezeigt werden, dass der Mensch auch voller Fürsorglichkeit sein kann, dass er eine kreative Intelligenz besitzt, die sehr wohl in der Lage ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, der Kernpunkt unserer biblischen Lehre, dass selbst einfache Menschen und nicht nur Heilige fähig sind, Taten der Güte und Liebe zu vollbringen.
Aktualisiert: 2020-03-18
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Jüdischer Pioniergeist
Manfred Mosche Gersons "Leben im 20. Jahrhundert" war ein jüdisches Pionierleben von erstaunlichem Format. Eigenwillig suchte er sich seinen Weg von Posen/Westpreußen über Berlin durch die sein Leben bestimmende Israelitische Gartenbauschule Ahlem bei Hannover, durch Gartenbaupraxis in Deutschland und Amerika, durch Rückkehr nach Deutschland und einen ersten Besuch im Heiligen Land, durch Erfahrungen in Hitler-Deutschland und Lettland, bis er endlich und endgültig mit seiner Pionierarbeit in Israel beginnen konnte, um schließlich gegen Hitler in Nordafrika und Italien zu kämpfen, die Gründung des Staates Israel zu erleben und sich dem weiteren Siedlungsaufbau zu widmen.
Er wurde ein exzellenter Fachmann, doch hatte er stets mehr im Kopf als Fachwissen und selbst in Amerika Goethes "Faust" in der Tasche. Früh war in ihm das Ziel gereift, jüdische Jugend in die Landwirtschaft zu ziehen und für das Aufbauwerk in Erez Israel vorzubereiten, durchaus ohne Zionist zu sein. Das Land selbst hat ihn tief ergriffen: "Lange noch lag ich wach, horchte in die Stille: der erste Tag, die erste Nacht im Land der Väter!" Doch in den dreißiger Jahren schon: "Bei der Fahrt durch Nablus sahen wir drohende Gesichter; Kinder warfen Steine Richtung Auto." Dennoch: "Hier waren Lebensaufgaben, die dem Leben Inhalt geben konnten wie nirgendwo auf der Welt!" Dann auch dort die Bedrohung durch Hitler-Deutschland: "Die Front war weit entfernt bei Tobruk. Wenn die Deutschen bis hierher kämen - es war einfach nicht auszudenken!"
Nach dem Krieg die traurige Wahrheit: "Ich wollte es lange nicht wahr haben, es schien mir so äußerst unmöglich, aber mehr und mehr häuften sich die Beweise, dass auch meine Familie das Schicksal ereilt hatte; fast alle waren in Auschwitz umgekommen: der alte Vater, ein als Staatsbeamter pensionierter Volksschullehrer und dazu schwe rverwundeter Kriegsfreiwilliger aus dem Ersten Weltkrieg in der deutschen Armee! Es war unvorstellbar! Dazu meine älteste Schwester, die Fotografin; mein zweiter Bruder, der Landwirt, mit Frau und zwei kleinen Töchtern, 9 und 11 Jahre alt! Selbst Kinder konnte man abschlachten! Die zweite Schwester, lebenslustig, Blumenbinderin, jung verheiratet, mit ihrem Säugling! Sodann fast alle Geschwister von Vaters und Mutters Seite, die Onkel und Tanten mit ihren Kindern, soweit sie nicht rechtzeitig ins Ausland entkommen waren. Es war zu grausig, um es sich vorzustellen. Nur mein ältester Bruder, der Ingenieur, war am Leben geblieben; die Familie seiner christlichen Frau hatte dafür gesorgt, dass er verborgen blieb. Und meine jüngste Schwester war noch rechtzeitig zu uns nach Israel gekommen." Umso mehr engagierte er sich nun im Aufbau des Landes: ". ein großes Siedlungswerk, wie es selten in irgendeinem Lande und zu irgendeiner Zeit durchgeführt wurde.
Aktualisiert: 2020-03-18
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Seit neunundzwanzig Jahren lebt Hedwig Brenner in Israel, in Haifa. Ein bescheidenes Leben führt sie in der neuen Heimat, erst sehr spät, vor Jahren, wurde sie Schriftstellerin. Familienbiographien schrieb sie und vor allem entstanden durch ihre Energie und ihren Arbeitseifer Lexika über Jüdische Frauen in der bildenden Kunst. Ca. 1350 jüdische Künstlerinnen nahm sie in diese Nachschlagewerke auf. Recherchiert hat sie in der ganzen Welt über mehrere Jahre, um diese künstlerischen Lebensbilder zusammenzubekommen. Längst gestorbene, in Konzentrationslagern umgekommene, noch lebende Frauen in aller Welt und junge jüdische Künstlerinnen vereinte sie in diesen Werken. Eine großartige Arbeit hat die fast 93jährige Hedwig Brenner, für die Zukunft geschaffen!
Nach dem Tod des Ehemannes begann Hedwig Brenner als damals Achtzigjährige in Haifa mit dem Computer zu arbeiten, die alte Schreibmaschine hatte ausgedient. In fünf Sprachen korrespondiert sie seitdem bei Tag und Nacht per Mail mit der gesamten Welt und natürlich auch mit „ihren“ Künstlerinnen. In diesen Tagen erschien der 4. Band über Jüdische Frauen in der Bildenden Kunst, ebenso die dazugehörige CD mit Kunstwerken dieser genannten Frauen. Hedwig Brenner nennt ihre Arbeit ein „unkonventionelles Lexikon“. Ob konventionell oder unkonventionell, eine Fundgrube für Kunsthistoriker und eine Ehre für die vielen Künstlerinnen, die in dieses Lexikon aufgenommen wurden, ist es allemal. Eine Erinnerung für die Ewigkeit hat Hedwig Brenner diesen Künstlerinnen in den vier Bänden gegeben!
Aktualisiert: 2023-03-30
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Marga Randall gehört zu den nicht allzu zahlreichen noch lebenden jüdischen Frauen in der Welt, die in den dreißiger Jahren noch als Mädchen aus einer behüteten Kindheit brutal herausgerissen wurden, dem Holocaust dann knapp entkommen, in den Vereinigten Staaten ein neues Leben aufbauen, erst spät wieder Kraft und Gelegenheit zu einem ersten Besuch in Deutschland finden konnten, um dann immer wiederzukommen, obwoW schreckliche Erinnerungen geblieben sind - als sei es erst gestern geschehen.
Diese wiederholte besuchsweise Rückkehr in die alte Heimat war auch bei der Autorin möglich geworden, weil sie sich durch alte Freundschaften wie durch die neue deutsche Generation dazu ermutigt fühlte, um nach und nach dann sogar mit der alten deutschen Generation ins Gespräch zu kommen, was sich für alle Seiten als lehrreich erwies.
Marga Randalls Erfahrungen führten nach und nach nicht nur dazu, die Geschichte ihrer eigenen Familie zu rekonstruieren, sondern schließlich auch überhaupt daran zu denken, ihre Überlebensgeschichte aufzuschreiben, die wie jede jüdische Überlebensgeschichte immer auch Geschichten vom Nichtüberleben enthält, hier wie so oft von geliebten nahen Verwandten.
Dass die Autorin schon vorher mit ihren Besuchen überhaupt und mit allen ihren damit verbundenen Vorträgen und Gesprächen sowie jetzt mit ihrer eindrucksvollen Schrift tatsächlich eine wichtige Mission in Deutschland erfüllt, verdient auch Dank von jüdischer Seite, weil an keinem Ort in Deutschland und Europa über das Geschehen der Schóah jemals Gras wachsen darf.
Marga Randalls Mission ist aber auch deshalb so wichtig, weil mit Augenzeugen und Augenzeugenberichten vielleicht besonders gut versucht werden kann, aus den Geschichten der Geschichte zu lernen, insbesondere im Bewusstsein, dass es schon bald keine Zeitzeugen mehr geben wird. Nicht zuletzt erscheint diese Art von Mission auch für Amerika wichtig, wo in dortigen Holocaustzentren und andernorts auch über das heutige Deutschland berichtet werden kann.
In diesem Sinne wünschen wir der Autorin und diesem Buch viel Erfolg, und zwar nicht nur in der Region, aus der sie stammt: Möge es ihr zum Segen sein, dass sie mit ihrer Mission in Deutschland wie in den USA der biblischen Weisung dient, nämlich zu erinnern und nicht zu vergessen.
Frankfurt, im Juli 1997
Aktualisiert: 2019-12-11
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Aus dem Vorwort von Hanna Blitzer
Erinnerungen als Zeitdokumente
Eigentlich wollte Margit Bartfeld-Feller Konzertpianistin werden. Zur ihrer ursprünglichen Liebe und Begabung – der Musik – konnte sie erst in Tomsk zurückkehren, nach 15 Jahren Zwangsaufenthalt in sibirischen Dörfern im Sumpfgebiet. In Tomsk wurde sie Musikleiterin in einem Kinderheim und komponierte ein Kinderliederbuch.
Er nach der Einwanderung mit ihrer Mutter, ihrer Tochter und deren Familie Ende 1990 nach Israel, ermöglicht durch die Perestroika, beginnt Margit Bartfeld-Feller, ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Diese Erinnerungen sind Zeitdokumente, authentische Beschreibungen ihres Lebens, das vom barbarischen 20. Jahrhundert geprägt wurde. Die extrem harten Lebensbedingungen in Sibirien, so völlig verschieden von ihrem bisherigen Leben, erwecken bei Margit Bartfeld-Feller und ihrer Mutter Erfindungsgeist, Anpassungsfähigkeit und den starken Willen zum Überleben. Ihre Beziehung zum Judentum, durch die im Elternhaus in Czernowitz veranstalteten Literaturabende jüdischer Schriftsteller in deutscher und jiddischer Sprache intensiviert, hat keinen Bruch erlitten. Um auch die Kinder mit jüdischer Kunst und jüdischen Liedern bekannt zu machen, werden sie in Tomsk zu jiddischem Theater und Konzerten mitgenommen.
Das Erstaunliche nach 50 Jahren Zwangsaufenthalt in Sibirien ist, dass die humanen und kulturellen Werte, mit denen Margit Bartfeld-Feller aufgewachsen ist – Liebe zur Natur, zu Büchern, zu Musik und vor allem gegenseitige Hilfe – unveränderte Werte in ihrem Leben damals und heute geblieben sind. Diese Werte waren es, die ihr das Überleben ermöglichten.
„Als roter Faden durch ihre Erzählungen zieht sich die Erinnerung an Czernowitz, an den Mittelpunkt ihrer Gedanken, das ‚verlorene Paradies‘.“
Aktualisiert: 2022-07-31
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Die menschlichen Komponenten
In den dreißig er Jahren hatte fast jeder Deutsche einen jüdischen Freund, den er liebte, oder wenigstens einen jüdischen Bekannten, den er respektierte. Trotzdem lernten Deutsche, 'die Juden' zu hassen und zu fürchten, 'die Rasse', 'das Judentum', die anderen, ihm unbekannten Juden. Die Propaganda erklärte den Deutschen, daß ihre eigenen jüdischen Bekannten eine Ausnahme darstellten, die 'anderen' Juden jedoch Feinde seien.
Wie leichtgläubig das Volk diese 'Erklärung' annahm! Wie hat das geschehen können?
Dieses Buch schildert mein Leben sowie das Leben zahlreicher Mitmenschen. Ganz ohne Weltgeschichte geht das aber nicht, denn die historischen Ereignisse der Zeit haben mein Leben wie alle Leben unvermeidlich in gewisse Richtungen gelenkt.
Es sind jedoch die menschlichen Komponenten, welche besonders beachtet und bewahrt werden sollten.
Ich hatte diese Schrift zunächst für Familie und Freunde in englischer Sprache verfaßt. Die deutsche Ausgabe entstand in Zusammenarbeit mit meinen guten Freunden Claus Gaul (Berlin) und Professor Roy Wiehn (Konstanz), denen ich dafür sehr dankbar bin. Nicht zuletzt freut es mich, daß das Buch in Konstanz erscheint; obwohl ich vor vielen Jahren von und aus Deutschland ausgestoßen wurde, blieb doch 'ä Stückle' alter Heimatstadt in mir.
Pittsburgh, im August 1996
Aktualisiert: 2020-03-17
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Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn
Vor dem Vergessen bewahren
"Habe ich wirklich erlebt, was ich glaube, erlebt zu haben? Sibirien, Wahnsinn und Todesangst. Verfolgung, Verachtung und Hohn. Wie habe ich nur standhalten können? Jahre tödlichen Hungers und Kälte. Diese Frage stellen mir ungezählte Menschen, Freunde, die mich nach 50 Jahren wiedererkennen, Menschen, die meine Kurzgeschichten gelesen haben, aber - auch ich selbst. Ja, wie konnte ich nur durchhalten? Ein junges jüdisches Mädchen aus Czernowitz, das 1941 plötzlich aus dem Wohlstand herausgerissen, sich mit seiner Familie in solch extremen Situationen befand? Anscheinend war es die Gabe, sich niemals dem Selbstmitleid hinzugeben und ein immer wieder und wieder mich belebender Sinn für Humor. Auch hielt mich aufrecht meine Liebe zur Musik, zum Wort, zu Büchern, und natürlich der mir angeborene Lebenswille und Optimismus." (Geraubtes Glück, hier S. 49ff.)
Aktualisiert: 2020-03-18
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Ein Denkmal von und für Mutter und Tochter
Maria Goudsblom-Oestreicher, meine Frau, hat sich seit 1994 und bis wenige Monate vor ihrem Tod im Frühjahr 2009 damit beschäftigt, die Tagebücher ihrer Eltern – Dr. med. Felix Hermann Oestreicher und Gerda Margarethe Oestreicher-Laqueur – für eine Veröffentlichung zu bearbeiten. Es handelt sich dabei um Tagebücher ganz verschiedener Art. Nachdem Felix Oestreicher, seine Frau, zwei seiner kleinen Tochter und seine Mutter im November 1943 als Juden verhaftet worden waren, hatte er in den KZs Westerbork und Bergen-Belsen in einem ärztlichen Taschenkalender täglich kurze, sachliche Notizen über das Leben im Lager gemacht: über Essen, Krankheiten, Todesfälle. Alles wurde mit Bleistift im Telegrammstil notiert, offensichtlich in der Absicht, dem Autor später als Gedächtnisstütze zu dienen. Felix Oestreicher war jedoch leider nicht in der Lage, seine Einträge selbst auszuarbeiten. Nur wenige Wochen nachdem sie in Tröbitz im südlichen Brandenburg von der Roten Armee befreit worden waren, sind Gerda und Felix Oestreicher kurz nacheinander an Flecktyphus gestorben. Erst die Bemühungen Marias, unterstützt von ihrer deutschsprachigen Freundin Anneliese Nassuth, haben es ermöglicht, dass das Tagebuch mit vielen Dokumenten und Bildern ergänzt im März 2000 beim Hartung-Gorre Verlag (Konstanz) erscheinen konnte.
Gerdas Tagebücher sind ganz anderer Art und haben eine ganz andere Geschichte. Sie umfassen eine viel längere Periode, nämlich von 1918 bis 1929 und von 1938 bis 1939. Sie beginnen in konventioneller Weise: Die zwölfjährige Gerda hat ein unliniertes Heft in schönem Ledereinband mit Verschluss bekommen, wo sie ihre häuslichen und schulischen Erlebnisse niederschreiben kann. Aber schon im ersten Satz zeigt sie eine über Haus und Schule weit hinausreichende Aufmerksamkeit auch für historische Ereignisse. Es ist 16. Oktober 1918, und der Erste Weltkrieg geht zu Ende: "Viertes Kriegsjahr! Noch keine Friedensaussichten!!!" So beginnt Gerdas Tagebuch. Weniger als einen Monat später kapitulieren die Achsenmächte. Der Schock der Niederlage bringt Unruhe und Unsicherheit in ganz Deutschland, auch in Brieg, der kleinen Industriestadt südöstlich von Breslau in Schlesien, dem Wohnort von Gerdas Familie Laqueur.
Das spontane Reagieren auf Ereignisse in der großen Außenwelt ist eine der Qualitäten, die dieses Tagebuch zu etwas Besonderem machen.
Aktualisiert: 2019-12-11
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Eine Hommage für Dr. Eduard Reiss
Die Lebensdaten von Dr. Eduard Reiss (1850-1907) markieren Ecksteine der höchsten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Blüte des Habsburgerreiches. Zugleich versinnbildlichten diese Jahre auch das "goldene Zeitalter" von Czernowitz. Aus der historischen Perspektive gesehen, war diese Periode die produktivste und glücklichste Zeit in der Geschichte der Stadt. Es waren die Gründerjahre, in denen man alle wichtigsten Elemente ihrer Infrastruktur gestiftet hatte. Im März 1849 wurde im Wiener Parlament eine neue Verfassung verabschiedet, die den Juden in der gesamten Monarchie die gleichen Rechte verlieh. … Fünfzehn Jahre später wurde die Bukowina zum Kronland erhoben, und Czernowitz erhielt den Status einer Landeshauptstadt.
Schlag auf Schlag schossen hier wie Pilze nach dem Regen neue Gebäude aus dem Boden, Institutionen und Vereine wurden gegründet, Anlagen hergerichtet. 1866 wurde die Eisenbahnstrecke Lemberg-Czernowitz in Betrieb genommen, 1873 das imposante Rathaus (S. 10) am Ringplatz errichtet, 1875 die Universität "Francisco Josephina" eröffnet und der große Israelitische Tempel im Stadtzentrum (S. 76) eingeweiht. Dies alles geschah buchstäblich vor den Augen des jungen Eduard Reiss, der, obwohl schon im nordgalizischen Zaloze geboren, bereits als sechsjähriger in die bukowinische Hauptstadt kam, um dann hier, abgesehen von einigen Studienjahren in Wien, sein ganzes Leben zu verbringen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und insbesondere gegen sein Ende war Czernowitz alles andere als ein ruhiges Nest. Es wimmelte hier an Ideen, Einfallen und einem kaum bezähmbaren Veränderungsdrang. Obwohl schon in manchen neueren Publikationen diese Stadt als eine "pädagogische Strafkolonie" und "das österreichische Sibirien" bezeichnet wird, sind solche Charakteristiken eher skeptisch denn ernst zu nehmen. Jedenfalls betrachteten die Offiziere, die man aus den dumpfen galizischen Garnisonen nach Czernowitz versetzte, als ein besonderes Glück, hier ihren Dienst machen zu dürfen. Viele Staatsbeamte, die hierher von den anderen Orten der Monarchie geschickt wurden, verließen die Stadt mit Tränen in den Augen, wenn es darum ging, die notwendige „amtliche Rotation“ durchzuführen.
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Nach dem Tod von Dr. Reiss am 27.April 1907 wurde er auf dem jüdischen Friedhof von Czernowitz gleich hinter der einst imposanten und heute total vernachlässigten Leichenhalle in der Nähe der Grabstätten des Oberrabbiners Dr. Lazar Igel und des langjährigen Präsidenten der jüdischen Kultusgemeinde, des Landtag- und Reichsratsabgeordneten Dr. Benno Straucher beigesetzt. Über seinem Grab hatte man auf Kosten der jüdischen Gemeinde eine kunstvolle kleine Kapelle aus Metall errichtet, mit einern Davidstern gekrönt, auf der in feinen lateinischen Lettern zu lesen war: "Dr. Eduard Reiss - Bürgermeister". In fast 100 Jahren, die seitdem verstrichen sind, verrostete die metallische Konstruktion bis in die letzten Ecken, sodass der Name allmählich unleserlich wurde und dann endgültig verschwand. Und so schmückt heute dieses Grab nur noch ein einziges Wort: "Bürgermeister" (S. 75). Hier hat sich die Paraphrase verselbstständigt und ist nahezu absolut geworden. Man muss sie aus dieser absoluten Anonymität herausholen. Mit der vorliegenden Abhandlung über den ersten jüdischen Bürgermeister von Czernowitz, die auf gründlichen, tiefschürfenden Recherchen fußt, macht die Verfasserin Franka Kühn die Spur dieses Namens wieder sichtbar.
Czernowitz/Cernivci, im November 2003
Aktualisiert: 2018-12-07
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Welche Rolle spielt der Beitrag der jüdischen Minderheit in der heutigen rumänischen Kultur? Seit wann kann man von einer Interferenz zwischen der jüdischen und der rumänischen Kultur sprechen? Wie definieren sich jüdische Intellektuelle heute selbst? Welche Veränderungen hat die Schoàh in der jüdischen Mentalität bewirkt? Wie betrachten Intellektuelle die rumänische Welt und ihre Kultur? Wie sprechen sie als Juden zur Welt? Wie sehen sie das Verhältnis zwischen kultureller Spezifizität und Multikulturalismus? Welchen Beitrag leisten rumänisch-jüdische Intellektuelle zur europäischen Integration? Wie würde die europäische kulturelle Landschaft ohne den Beitrag der nationalen Minderheiten aussehen?
All diese Fragen haben mich zur Trilogie 'CU SUFLETUL DESCHIS -'Mit offener Seele' geführt.
Jedes einzelne der zahlreichen Porträts, Interviews, Essays scheint mir von Bedeutung:
Aktualisiert: 2019-12-11
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Zum Verstehen beitragen
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Hier möchte ich jüdische Geraer Familien und Personen vorstellen, natürlich unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Raumes in gedrängter Form und nach Maßgabe des ermittelten Wissens. Es handelt sich um Menschen, die bereits im 19. Jahrhundert nach Gera zuzogen, hier lebten, arbeiteten, starben und deren Namen schon dem Vergessen anheim fielen, als neue Generationen den Stab übernahmen und den Kreislauf des Lebens und Wirkens in Gera weiterführten.
Wir sehen, dass diese jüdischen Familien die gleiche Vielfalt boten wie die nichtjüdischen. Sie waren reich oder arm, hoch- oder weniger begabt, Fabrikanten, Handwerker, Arbeiter, Handel Treibende mit großem Geschäft oder kleiner "Eintrete", vielleicht auch nur mit Bauchladen oder schweren Koffern über Land unterwegs. Sie suchten zusätzliche Verdienstmöglichkeiten zur Aufbesserung ihres oftmals kargen Einkommens aus dem eigentlichen Beruf. Sie lebten das ganz durchschnittliche Leben von Not bis Reichtum, waren glücklich oder von Schicksalsschlägen betroffen, durch Ungemach belastet oder manchmal von Freude erfüllt.
Sie waren religiös oder Atheisten, fromm oder gleichgültig, traditionsgebunden oder modern, man fand sie in unterschiedlichsten politischen Richtungen, ihre Namen standen auf den Gefallenen-Gedenktafeln der Kriege, sie litten, und sie hofften wie alle. Gerade so und nicht anders wie ihre nichtjüdische Umwelt zu jener Zeit und gerade so, wie Sie und ich es heute erleben und spätere Generationen zu ihrer Zeit. Das soll man erkennen, zu dieser Erkenntnis soll dieses Buch beitragen und damit auch zum Verstehen und Ausräumen falscher Ansichten und Vorurteile.
Gerade während der Abschlussarbeiten an diesem Band erfolgte eine erneute Schändung von jüdischen Gräbern auf dem Ostfriedhof Gera, nämlich der Familien Salomon und Weber sowie von Max Hirsch. Im Jahr 1987 geschah dies mit dem Gedenkstein für die 446 in Gera eingeäscherten Toten des KZ Rehmsdorf/Gleina bei Zeitz, zuvor mit dem Synagogendenkmal in der Schülerstraße, aber auch mit dem Denkmal für die "Opfer des Faschismus" im Küchengarten. Umso wichtiger erscheinen Publikationen wie diese, allen diesen Schändlichkeiten zum Trotz und in der Hoffnung, das vielleicht doch noch daraus gelernt werden wird.
Aktualisiert: 2022-04-21
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'''Mose' ist die grandioseste Figur der alten Geschichte der Menschheit", bemerkte Ivan Franko im Vorwort zur russischen Übersetzung seines "Mose" 1913, "eine Figur, umgeben von einer solchen Vielheit von tiefen, wahrhaft und oft erstaunlichen Einzelheiten, dass sie, wenn nicht für den Historiker, so doch in äußerstem Maß für die menschliche Phantasie und für seine dichterische Abbildung, eine unerschöpfliche Quelle an Themen und Anregungen darstellt." Dazu gibt es natürlich sehr viel Literatur, und Jan Assmanns Schriften sind hierzu besonders lesenswert. Im "Vorwort zur zweiten Auflage des Poems" - Mose" (1905, hier Seite 76ff.) - deklariert Ivan Franko offen das Ausmaß seiner künstlerischen Freiheit: "Zum Hauptthema des Poems machte ich den Tod des Mose als einen von seinem Volk nicht anerkannten Propheten." (hier Seite 77) Diese Darstellung widerspricht selbstverständlich ganz klar dem biblischen Text und der gesamten jüdischen Tradition, denn es heißt ja bekanntlich: "Und die Kinder Israel beweinten Mose im Gefilde der Moabiter dreißig Tage; und es wurden vollendet die Tage des Weinens und Klagens über Mose". - "Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, den der Herr erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht" (5 Mose 34,8 u. 10 nach Martin Luther). So gesehen stellt Ivan Frankos "Mose" natürlich nicht nur eine makabre Perversion des biblischen Mose dar, sondern auch bestimmt kein gutes Omen für einen „Mose in der Ukraine“.
Aktualisiert: 2019-03-28
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