Andacht – Erinnerung – Geschichte
Rezeptionsprozesse in der süddeutschen Plastik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Schwerpunkt Augsburg)
Reiner Zeeb
Die im frühen 20. Jahrhundert nach Kunsterfahrungen des Expressionismus kritisierte Wiedererweckung sakraler Gotik des 19. Jahrhunderts lebte innerhalb komplexer Prozesse der Mittelalterrezeption und neuen Bewußtheit geschichtlich verschränkter Formen. Rezeptionsprismen zahlreicher Vermittler, u.a. der Geschichte, der Wissenschaft, der Kunsttheorie und bestimmter Formideologien des 19. Jahrhunderts machen die Wiegenjahre reflektierter Restauration und Denkmalpflege zur Geburtsstunde neuer (neu bewußter) Schichten und Wahrnehmungsprismen des Kunstwerks. Einseitige Urteile aus kunsthistorischem Stilgefühl verdeckten die Epoche durch eine Geschichtsfälschung – schon wenn man die häufig vorrangigen Beziehungen zur Romantik erkennt. Die Rezeptionsschichten eines Auftrags, «Bildnistreue» neuer Statuen von Vorbildern der Plastikgeschichte wie Phidias, Ghiberti und Donatello – teils durch Vermittlung anderer Kunstwerke – für den Fassadenzyklus verschiedener Hände an der Münchner Glyptothek zu erreichen, bezeichnen entsprechende Prozesse bei Entstehung und Wahrnehmung des Denkmals: Beispielsweise Prismen der Entstehungsgeschichte, der Körper- und Gewandmetaphern, der Spannungen zwischen dargestellter und geschichtlicher Person, Standbild und politischer Inszenierung.