Arvo Pärts „Kreise“
Komponieren zwischen postmodernem Bekenntnis und Bekenntnis zur Postmoderne
Marcell Feldberg
Die vorliegende Arbeit möchte zeigen, dass Pärts kompositorischer Werdegang weniger von einer linear voranschreitenden Entwicklung geprägt ist, sondern eher ein Mit-, In- und Nebeneinander von verschiedenen Kreisbewegungen ist. Diese lassen sich unabhängig von der jeweiligen stilistischen Ausprägung immer wieder in Pärts Komponieren feststellen. In seiner dodekaphonischen Musik der 1960er Jahren wird eine Umkreisung der Musik mit außermusikalischen Bedeutungen ebenso erkennbar werden wie in den späteren Kompositionen des »Tintinnabulistils« (der hinsichtlich solcher Umkreisungen noch weit auffälliger ist). Die Verbindung von Linearität und dynamischer Kreisbildung zu einer Spiralbewegung, die vor allem seine seriell geprägten Kompositionen auszeichnet, findet sich in Ansätzen auch in seiner Musik ab den späten 1970er Jahren wieder. Die hier sichtbar werdende Spanne zwischen der von Arvo Pärt zunächst bevorzugten Atonalität und der späteren Hinwendung zum Sujet des Tonalen im »Tintinnabulistil« zeichnet ein weiteres Kreis-Motiv. Vor allem in seinen Werken des »Collagenstils« gegen Ende der 1960er Jahre wird ein Kreis der Entscheidung zwischen atonalen Klangtechniken und einer Idealisierung der Tonalität durch die Idiomatisierung Bach’scher Musik erkennbar werden.
Pärts kompositorische Entwicklung mit ihrer fortlaufenden Tendenz zur Loslösung von handwerklich-technischen Kompositionsverfahren mündete Ende der 1970er Jahre in eine Abkehr vom postmodernen Pluralismus der Collagentechnik und in die Erfindung seines neuen »Tintinnabulistils«. Die Musik dieses Stils besann sich materialiter auf das »Bewährte« in Gestalt von konventionell tonaler Skalenbildung und Dreiklangsstrukturen. Hinsichtlich dieses Aspekts wird die Arbeit unter dem Untertitel »Zwischen postmodernem Bekenntnis und Bekenntnis zur Postmoderne« versuchen, den ästhetischen Diskurs des Phänomens der Postmoderne zur Musik Arvo Pärts in Beziehung zu setzen.
Neben der Kreisbewegung lassen sich in Pärts ästhetischem Denken immer wieder unterschiedliche Ausformungen von Suchbewegungen und von Ausweich- beziehungsweise Fluchtbewegungen erkennen. Neben der kompositionstechnischen Konnotation der Suchbewegung soll dieses Moment auch in seiner biographischer und »intellektueller« Entwicklung kritisch verfolgt werden, denn die Suche, zumal die spirituell umkleidete Suche, stellt ein zentrales Moment in den öffentlichen Lebensdarstellungen und Lebenszeugnissen Pärts dar, in seinem Werdegang als Komponist und in der spirituellen Deutung der Musik seines »Tintinnabulistils«. In diesem Zusammenhang sollen verschiedene Phänomene der religiösen Bedeutungszuschreibung bei Arvo Pärt als »Religiofizierung« problematisiert werden. Formen einer nachgereichten religiösen Bedeutungszuschreibung werden hier ebenso in den Blick genommen werden wie die Evokation religiöser Bedeutsamkeit oder das Heraufbeschwören religiöser Emotionalität. Pärts Suche nach dem Religiösen als Ausdruck einer Sehnsucht nach Eindeutigkeit inmitten einer modern-pluralen Gegenwart wird ein weiterer wichtiger Aspekt der Untersuchung sein. Ausführliche Informationen erhalten Sie unter www.editionargus.de.