Arzneimittellehre
Übersetzung und Kommentar von Julius Berendes
Julius Berendes, Pedanios Dioskurides
Die »materia medica« des Dioskurides umfaßt ca. 1000 Arzneimittel (813 pflanzlichen, 101 tierischen und 102 mineralischen Ursprungs) und bietet 4740 medizinische Anwendungen. Sie gliedert sich in fünf Bücher: 1. Aromatische Kräuter oder Gewürze, Öle, Salben; Pflanzensäfte, Gummis, Harze und Früchte von Bäumen und Sträuchern. 2. Tiere, Teile von Tieren, tierische Produkte (darunter Honig, Milch und Fett), Getreide, Topfkräuter und Gemüse. 3. Wurzeln, Säfte, Kräuter und Samen, »die sowohl dem gewöhnlichen als auch dem arzneilichen Gebrauch dienen«. 4. vorher nicht genannte Wurzeln und Kräuter, Schwämme und Pilze. 5. Weinsorten, Mineralien und andere anorganische Substanzen wie Erze, Steine und Erden. Dioskurides verwendet erstmals eine Systematik nach der qualitativen Verwandtschaft, der medizinischen Wirksamkeit bzw. pharmakologischen Wirkung der einzelnen Arzneimittel. Vorbildcharakter für spätere Kräuterbücher bis in die frühe Neuzeit hatte mehr noch Dioskurides‘ Methode der Pflanzenbeschreibung: der Name der Pflanze und Synonyme, Herkunft, botanische Beschreibung, medizinische Eigenschaften, Zeitpunkte der Ernte, Zubereitung und Anwendung, gegebenenfalls auch Hinweise auf Lagerung, Aufdeckung von Verfälschungen usw. Bereits die älteste und zugleich wichtigste überlieferte Dioskurides-Handschrift, der prachtvoll illustrierte »Wiener Dioskurides« von 512/3 n. Chr., bietet zudem (ebenso wie spätere Handschriften) kunsthistorisch wichtige Abbildungen der besprochenen Heilpflanzen. Die Arzneimittelkunde des Dioskurides, in zahllosen, immer wieder neuen Bearbeitungen, Paraphrasen und Übersetzungen verbreitet, behauptete für über 1600 Jahre uneingeschränkt ihre autoritative Geltung in Abendland und Orient auf dem Gebiet der Pharmazie, der Pflanzen- und Drogenkunde und ist als eines der einflußreichsten Werke in der Geschichte der Medizin und Pharmakologie überhaupt zu betrachten. Der Aufstieg der organischen Chemie im 19. Jahrhundert verdrängte seine Nutzung auch aus der Alltagspraxis von Kräuterkunde, pharmazeutischer Herstellung und Anwendung.