Auf Watte
Erzählung
Andrea Stift
Nach dem Tod des Vaters versinkt eine junge Frau in ihrer Trauer. Das Heim für Alkoholiker und Demenzkranke, in dem die Mutter jetzt lebt, entwickelt sich für sie zu einem Paralleluniversum, zu einem geschützten Raum. Der frühere Balletttänzer Cornel, wie die anderen Heimbewohner selbst eine beschädigte Existenz, wird zu einer Art Vaterersatz. Den Rest besorgt der Alkohol. Die gescheiterten Lebensentwürfe der Heimbewohner im Kontrast zu den mitleidlosen Handlungsweisen einer geschäftstüchtigen Heimbetreiberin bilden eine eindringlich gestaltete Bühne für die Annäherung zwischen der jungen Frau und dem Tänzer. Die existenzielle Frage, die dabei immer im Vordergrund steht: Ist es möglich, mit so großer Trauer zu leben? „Und nun, sagt Cornel, pass auf. Er schiebt die Füße wieder zusammen, die rechte Ferse berührt das Längsgewölbe des linken Fußes. Du kannst das, sagt er, denn ich schwanke, ich greife nach ihm, und so stehen wir in der dritten Grundposition des klassischen Balletts auf der Veranda des Altersheims, in dem meine Mutter wohnt. Ein ungleiches Paar in einer lauen Sommernacht, so versuchen wir, einander Halt zu geben, so gut es geht.“