Begleitetes Fahren ab 17
Vorschlag zu einem fahrpraxisbezogenen Maßnahmenansatz zur Verringerung des Unfallrisikos junger Fahranfängerinnen und Fahranfänger in Deutschland
Bergisch-Gladbach Bereich Unfallforschung Bundesanstalt für Strassenwesen
In Deutschland besteht ein hoher verkehrspolitischer Handlungsbedarf zur Absenkung des Unfallrisikos junger Fahrer. Mit einem fünffach höheren Risiko gegenüber dem Gesamtdurchschnitt ist die Altersgruppe der 18- bis 20-Jährigen am stärksten gefährdet. In dieser jüngsten Altersgruppe der Pkw-Fahrer finden sich die höchsten Anteile von Fahranfängern.
Derzeit bestehen in Deutschland noch keine Maßnahmenansätze, um Fahranfänger bereits zum Start in die selbstständige Fahrkarriere mit umfassenderen fahrpraktischen Erfahrungen auszustatten. Im Ausland wurden dagegen in den 90er Jahren mit fahrpraxisbezogenen Maßnahmenansätzen bereits beträchtliche Erfolge erzielt: So konnte in Schweden das Unfallrisiko von Fahranfängern um bis zu 40 Prozent, in Nordamerika – je nach Maßnahmenausgestaltung – zwischen 4 und 60 Prozent gesenkt werden (GREGERSEN, 2000; MEI-LI LIN, 2003).
Im Mai 2002 richtete der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen bei der Bundesanstalt für Straßenwesen die Projektgruppe „Begleitetes Fahren“ mit Experten aus Bund und Ländern, Verbänden und Wissenschaft ein. Die Projektgruppe erhielt den Auftrag, die Obertragbarkeit der ausländischen Erfahrungen zu prüfen und ggf. einen Modellvorschlag für einen fahrpraxisbezogenen Maßnahmenansatz in Deutschland zu erarbeiten.
Als Ergebnis ihrer Arbeit legt die Projektgruppe mit dem vorliegenden Bericht den Modellvorschlag „Begleitetes Fahren ab 17“ vor, verbunden mit der Aufforderung an den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die interessierten Bundesländer den Maßnahmenansatz erproben können.
Nach dem Vorschlag der Projektgruppe erhalten Fahranfänger mit dem Begleiteten Fahren die Möglichkeit einer zusätzlichen Übungspraxis von bis zu einem Jahr vor dem Beginn des selbstständigen Fahrens ab 18 Jahren. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Abschätzungen zur Kompetenzentwicklung bei Fahranfängern wird ein Übungsumfang von 5.000 km empfohlen.
Die Projektgruppe sieht dass „Begleitete Fahrbn ab 17“ als eine Ergänzung der anderen Maßnahmenansätzen für junge Fahrer und Fahranfänger, nicht als eine Alternative oder Konkurrenz. Das Begleitete Fahren verfolgt mit dem längerfristigen Aufbau fahrpraktischer Erfahrungen eine eigenständige Aufgabenstellung, die von den anderen Maßnahmenansätzen nicht wahrgenommen wird. Ebenso wie die freiwillige Fortbildung von Fahranfängern (Zweiphasenausbildung), für die im Mai 2003 die erforderliche Rechtsgrundlage geschaffen wurde, und das Pkw-Sicherheitstraining ist das Begleitete Fahren als ein freiwilliges Modell angelegt, das Fahranfängern zusätzliche Möglichkeiten des Dazulernens bietet.
Das Projektgruppenmodell ist auf das Ziel einer Sicherheitsverbesserung für Fahranfänger ausgerichtet. Diese Zielsetzung wird mit den Zielen der Zugangsfreundlichkeit und der Praktikabilität verbunden, damit eine breite Nutzung des Modells und die Ausschöpfung seines Sicherheitspotenzials ermöglicht wird.
Die Projektgruppe geht aufgrund der Daten zum Risikoverlauf nach dem Fahrerlaubniserwerb (Halbierung des Anfangsrisikos nach neun Monaten Fahrpraxis) von einem hohen Potenzial zur Absenkung des Fahranfängerrisikos aus. Der tatsächlich erzielbare Sicherheitsertrag des Begleiteten Fahrens in Deutschland ist jedoch im Rahmen einer praktischen Erprobung zu klären.