Berücksichtigung von Unsicherheiten in der deterministischen Bestimmung von Engpassbehebungsmassnahmen
Annika Klettke, Albert Univ.-Prof. Dr.-Ing. Moser
Der voranschreitende Ausbau von Erzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energien sowie die weitere Integration des europäischen Strommarktes führen zu einem wachsenden Transporterfordernis im Übertragungsnetz. Dieses Transporterfordernis kann oftmals nicht erfüllt werden, sodass Engpassbehebungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Netzsicherheit erforderlich werden. Grundlage für die Bestimmung dieser Engpassbehebungsmaßnahmen ist das deterministische (n-1)-Kriterium, dessen Erfüllung für die Einhaltung einer ausreichenden Netzsicherheit als erforderlich erachtet wird. Die Engpassbehebungsmaßnahmen werden mit einem Vorlauf von einem Tag sowie wenigen Stunden auf Basis prognostizierter Engpässe bestimmt. Die Prognose der Engpässe unterliegt aber Unsicherheiten. Zu diesen zählen die unsichere Verfügbarkeit von Netzbetriebsmitteln wie auch Prognosefehler in der Einspeisung aus Erzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energien. Grundsätzlich sind zwei Ansätze denkbar diese Unsicherheiten in der deterministischen Bestimmung der Engpassbehebungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit ist die Verwendung von Sicherheitsmargen auf die zulässigen Grenzwerte der Ströme über Leitungen und Transformatoren, eine andere Möglichkeit ist die Berücksichtigung von Mehrfachausfällen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Störungskaskaden innerhalb des (n-1)-Kriteriums. Auch die Europäische Kommission hat diese Herausforderungen erkannt. Sie fordert die Entwicklung eines Verfahrens zur Risikobewertung der Netzsicherheit und der Auswahl von relevanten Mehrfachausfällen unter Berücksichtigung von Unsicherheiten. Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist daher ein Berechnungsverfahren, das Sicherheitsmargen und relevante Mehrfachausfälle sachgerecht bestimmen kann. Kern des Verfahrens ist eine analytische Bestimmung des probabilistischen Leistungsfl usses auf Basis der Faltung von Verteilungsfunktionen der Netznutzung. Die bestehenden stochastischen Abhängigkeiten in den Prognosefehlern sind zu Korrelationsgrupppen zusammengefasst, die untereinander stochastisch unabhängig sind, sodass der Faltungsansatz mit seinen geringen Rechenzeiten nutzbar wird. Dieses probabilistische Lastfl ussmodell fi ndet sowohl Eingang in die schnelle stochastische Störungskaskadensimulation zur Identifi kation und Bewertung von Mehrfachausfällen als auch in die stochastische Bestimmung von Sicherheitsmargen. Das entwickelte Verfahren wird exemplarisch auf das Engpassmanagement im historischen Jahr 2017 sowie das zukünftige Jahr 2023 angewendet. Die Ergebnisse zeigen ein wachsendes Risiko für den Eintritt von Störungskaskaden nach Mehrfachausfällen. Die probabilistischen Auswertungen zu Mehrfachausfällen weisen auf eine erforderliche Anpassung der zu berücksichtigten Mehrfachausfälle je Untersuchungsjahr hin, eine untertägige Anpassung hat sich nicht als erforderlich erwiesen. Auch die Berücksichtigung einer Sicherheitsmarge in der Bestimmung der Engpassbehebungsmaßnahmen kann das Risiko einer kritischen Störungsauswirkung nach Mehrfachausfällen reduzieren. Hierbei sind jedoch mitunter Anfahrten teurer Kraftwerke aufgrund entsprechender Vorlaufzeiten notwendig.