Berufskonzepte zwischen Psychotherapie und Erwachsenenbildung
Kerstin Hohenstein
Immer häufiger erwerben Kursleitende in der Erwachsenenbildung eine therapeutische Zusatzausbildung und setzen diese gezielt in Seminaren mit den Themenbereichen Identitäts- und Orientierungswissen ein. Im Hinblick auf die Chancen und Gefahren einer ‚Therapeutisierung’ dieser Seminare stellt sich die Frage, wie sich eine solche Ausbildung auf die Arbeit in der Erwachsenenbildung auswirkt. Ausgangspunkt der vorliegenden Studie ist daher die Frage nach der Bedeutung und der Funktion einer psychotherapeutischen Ausbildung für die erwachsenenpädagogische Professionalität.
Unter Berücksichtigung zentraler Theorien und Studien zu den Themenbereichen Professionalisierung, Professionalität und dem Verhältnis von Erwachsenenbildung und Psychotherapie wird im ersten Teil der Arbeit ein Rahmenmodell des professionellen Selbst von Kursleitenden entwickelt. Nach der Darlegung der Forschungsmethodik im Mittelteil werden im dritten, empirischen Teil der Arbeit fünf Kursleitertypen vorgestellt, die sich in ihren Berufskonzepten, insbesondere der Integration psychotherapeutischer Elemente, unterscheiden.
Der entwickelte theoretische Bezugsrahmen und die Ergebnisse der empirischen Studie sind nicht nur von theoretischem Interesse. Sie eignen sich vor allem auch als Reflexionsanregung für Praktiker, um diesen ihre eigenen Motive, Ziele und Handlungsmaximen deutlicher bewusst zu machen.
Um eine professionelle erwachsenenpädagogische Arbeit im Themenbereich Identitäts- und Orientierungswissen zu gewährleisten, ist es für Kursleitende, aber auch für Seminaranbieter und Institutionen unerlässlich, sich von psychotherapeutischen Angeboten abzugrenzen und sich des eigenen Auftrags bewusst zu werden.
Die Studie zeigt daher auf, inwiefern Kursleiterprofessionalität zwar von einer psychotherapeutischen Ausbildung profitieren kann, jedoch auch welchen grundsätzlichen Fragen und Überlegungen sich die Erwachsenenbildung hinsichtlich der Qualifizierung von Kursleitenden und ihres professionellen Auftrages im Grenzbereich zur Psychotherapie stellen muss.