Briefe an die Mutter
Rainer Maria Rilke, Hella Sieber-Rilke
Aus dem Korpus der Briefe an die Mutter wurden bisher lediglich 29 Briefe publiziert; über 1100 Briefe werden nun zum erstenmal der Öffentlichkeit vorgelegt. Sie gewähren bemerkenswerte Einblicke in den Alltag des Dichters, beleuchten seine Vorlieben und Sorgen. Aber auch das komplizierte Verhältnis zu seiner Mutter wird in ein völlig neues Licht gerückt.
Am 4. Dezember 1896 feiert Rilke seinen 21. Geburtstag. Am Tag darauf schickt er seiner Mutter den gerade erschienenen Gedichtband Traumgekrönt, dem er am 8. Dezember einen Dankesbrief für die Geburtstagssendung folgen läßt: »Ich bin in der Zeit meines Fernseins um zwei Körperjahre, geistig wohl um 10 älter geworden.« Die Zäsur, die Rilke hier anspricht und für die das Datum der Volljährigkeit steht, spiegelt sich auch, nach einer Pause von drei Jahren, im Wiedereinsetzen der Korrespondenz mit der Mutter, die bis kurz vor Rilkes Tod im Dezember 1926 nicht mehr abreißt.
Die Beziehung Rilkes zu seiner Mutter ist von ihm selbst und von seinen Biographen stets als prägend erkannt, zum Teil aber auch verzeichnet worden. Die Briefe an die Mutter verschaffen endlich Klarheit: Ob Rilke die Mutter bei ihrer Lektüre und ihren Reisevorhaben berät oder von seiner Tochter Ruth erzählt, ob er sie teilhaben läßt an seinem eigenen unsteten Leben, indem er detailliert Auskunft gibt über die Orte, an denen er sich aufhält – immer entsteht das Bild eines warmherzig liebenden Sohnes, der sich aufrichtig um ihr Wohlergehen sorgt.