Das Akkordeon oder die Erfindung der populären Musik
Eine Kulturgeschichte
Christoph Wagner
Die Erfindung des Akkordeons 1829 in Wien bedeutete nicht lediglich einen weiteren Neuzugang zur weitverzweigten Familie der Musikinstrumente. Vielmehr markierte sie einen historischen Einschnitt, denn mit dem Akkordeon (sowie mit Mundharmonika, Concertina und den ungefähr gleichzeitig aufkommenden ventilbetriebenen Blechblasinstrumenten) begann ein neues demokratisches Zeitalter der Musik, in dem es erstmals jedermann möglich wurde, ohne Vorkenntnisse in die musikalische Praxis einzusteigen und aktiv am Musikleben teilzunehmen. Zur beispiellosen Verbreitung des Instrumentes in allen Gesellschaftsschichten trug gleichzeitig dessen zunehmend perfektionierte industrielle Herstellung bei, und als universeller Klangerzeuger in einer neuen Massenkultur war es beteiligt an der Geburt neuer Musikstile. Schließlich trat das Akkordeon im Gefolge von Kolonialisierung, Missionierung und Migration seinen Siegeszug um den Globus an, was zusammen mit dem Export der westlichen Tonalität jenem Phänomen Vorschub leistete, das heute in Gestalt der internationalen Popindustrie weltumspannende Wirkung entfaltet.