Das Blaue Klavier
Von Wien über Mähren nach Scheibbs, Grado und Gmunden. Die Geschichte der Familie Martha und Victor Thonet um 1900.
Andreas Maleta
»Das Blaue Klavier« ist eine Familiengeschichte mit historischen und kulturgeschichtlichen Wurzeln in Wien, Mähren, Scheibbs, Grado und Gmunden. Als dem Autor vor einigen Jahren, ganz unerwartet, alte Dokumente, Fotos, Briefe und ein wunderbares Gästebuch aus der Familienvilla in die Hände fielen, wurde er neugierig. Plötzlich wurde die Zeit um 1900 lebendig – durch die Welt von Martha Scheid und Victor Thonet, durch Josef Maria Auchentaller, dem Jugendstilmaler, und Georg Adam Scheid, dem internationalen Schmuckproduzenten aus Wien, die alle untereinander verwandt waren.
In der Villa Scheid gibt es ein Beethoven-Musikzimmer mit dem blauen Klavier, gestaltet von Josef Maria Auchentaller, Mitglied der Secession und Kollege von Gustav Klimt. Mit Martha Scheid, der Tochter des Villenbesitzers, die auf dem blauen Klavier Beethovens VI. Sinfonie, die Pastorale, spielt, fing alles an.
Martha begegnet dem Möbelfabrikanten Victor Thonet. Die beiden heiraten 1903 und führen eine wunderbare Beziehung. Martha entwickelt sich zur Grande Dame. Victor leitet die größte Thonet-Möbel-Fabrik in Bistritz in Mähren, fährt 1911 mit Ferdinand Porsche, August Horch (dem Audi-Gründer) und den Skoda-Konstrukteuren die Alpenfahrt-Rallye.
Victor gewinnt neue Designer für eine modernere Möbellinie der Firma Thonet: Otto Wagner, Marcel Kammerer, Otto Prutscher. 1923 ist alles verloren und die Thonets verkaufen ihre Weltfirma. Martha und Victor ziehen nach Scheibbs, NÖ, in den Lehenhof. Während Marthas Schwester, Emma Auchentaller, die Frau des Künstlers, in Grado ihre Pension Fortino zu einer Institution entwickelt, wird der Lehenhof unter Marthas Management ein Magnet für Musikliebhaber und ein Paradies für
kulinarisch wie kulturell ausgehungerte Städter aus dem nahen Wien.
Mit bisher unveröffentlichten, zum Teil farbigen, Abbildungen aus dem Victor Thonet und Scheid Archiv.