Das Notwendige Befremden der Literatur
Aufsätze von Kafka bis Aichinger, von Grillparzer bis Jelinek
Josef Donnenberg
Oft ist bemerkt worden, wie schnell literaturwissenschaftliche Arbeiten
überholt sind, wie sie, dem raschen Wechsel der Methoden ausgesetzt,
vom jeweils dominierenden „Diskurs“ als veraltet zur Seite
geschoben werden. Und gerade die Arbeiten verfallen am schnellsten,
die einen Moment lang sich als das Neueste vom Neuen durchsetzten
und alles Bisherige in den Schatten stellen wollten. Aber was
sich diesem „Betrieb“ von Beginn an verweigert hat, auf der eigenen
Erfahrung besteht und die Stimme eines denkenden Ich zu Gehör
bringt, überlebt auch in der sogenannten „Sekundärliteratur“, kann
sogar nach Jahrzehnten wieder eine ungewöhnliche Aktualität und
Notwendigkeit gewinnen. Dabei bedeutet das Bestehen auf der eigenen
Erfahrung alles andere als Unwissenschaftlichkeit, es geht vielmehr
darum, dass Wissenschaft zu einem Teil des eigenen Blicks
wird und nicht vom sozialen und individuellen Leben sich abtrennt.
Genau hier liegt der Grundimpuls der literaturwissenschaftlichen
Arbeiten von Josef Donnenberg (1930-1997). Für ihn hat die
Literatur zum Leben gehört, und was er über Autoren und Bücher,
über Literaturgeschichte und Literaturtheorie geschrieben hat, das
bleibt lebendig als der Blick eines Ich, das sich gegen die Erfahrungslosigkeit
der Vorurteile und gegen die gängigen Meinungen und
herrschenden Methoden behauptet mit der alten, immer neuen
Frage, wie man denn leben solle, wie man offen bleibe und veränderungsfähig
und wie das Konzept der Bildung in unserer Zeit neu zu
aktualisieren ist.