Das Orientbild im Werk Lohensteins
Diaa Elnaggar, Franz Hundsnurscher, Ulrich Mueller, Cornelius Sommer
Das barocke Orientbild ist eine facettenreiche Erscheinung, die ohne die Erforschung der vorbarocken Vorstellungswelt zum Orient nicht zur vollen Geltung kommen kann. Das betrifft sowohl das Barock als immanentes Wesen als auch das Barock in seiner Beziehung zum Orient. Es hat sich in unserer Arbeit gezeigt, dass sich viele Motive, die in der orientalisierenden Barockliteratur zum Erscheinen kommen, ihre Vorlage schon in der Neuzeit finden. Das betrifft gleichermaßen die zeitliche Einordnung bestimmter Themenkreise und Schriftsteller. Dabei zeigt sich, dass das Barock in mancher Hinsicht als verlängertes Mittelalter, aber auch bei machen barocken Dichtern als Frühaufklärung betrachtet werden kann.
Eingeleitet wurde das Orient-Bild im Barock durch die großen Umwälzungen an der Schwelle zur Neuzeit, die wir unter dem
Stichwort „Entdeckungen“ und „Eroberung“ zusammengefasst haben. Im Mittelpunkt steht das mit dem Zeitalter der umfassenden Entdeckungen und Eroberungen, geografischen, wissenschaftlichen und politischen, erwachte veränderte Weltbild. Die Eroberung neuer Seewege und somit einer Neuen Welt, zu der sich die europäische Expansionspolitik gesellte, erschütterte und relativierte die Selbstverständlichkeit, mit der der mittelalterliche Mensch lebte und eröffnete ihm den Sinn fürs Neue, auch im Altbekannten.
Dieser Umdenkensprozess wurde von wissenschaftlichen Entdeckungen begleitet. Der Blick in den Orient gewann dadurch
neue Perspektiven und an realistischer Darstellung. Der mittelalterliche Orient, vorwiegend lokalisierbar im mediterranen
Kulturgebiet, förderte neue Betrachtungsweisen zu Tage, die mehr und mehr realistisch wurden. Das Übermenschliche, Phantastische des Mittelalters begann zu schwinden. Der eher realistische Bericht von Marco Polo über den Orient galt lange Zeit als Fabelwerk. Er begann erst in der Neuzeit und in der Folgezeit eine kanonische Gültigkeit zu gewinnen, während das Standardwerk Schiltbergers über den Orient mit seinen fabelhaften Elementen des Wunderbaren
an Glaubwürdigkeit verlor. Am Beispiel dreier Reisebücher, nämlich dem von Schiltberger, Breydenbach und Schweigger haben wir diese realistische steigende Tendenz festgestellt, wobei zu betonen sei, dass der Orient immer noch der Ort der Exotik blieb. Übertreibungen, wunderbare Berichterstattung und abergläubische Deutungen wurden jedoch allmählich in der Neuzeit vermieden. Die Forderung der Wahrheit des Berichteten wurde im Barock sogar zum Maßstab, wie man der Vorrede von Olearius zum Orientbericht von Andersen und Iversen entnehmen kann.