Das sogenannte Organum
Zu den Anfängen der kirchlichen Mehrstimmigkeit im Abendland
Federico Celestini, Rudolf Flotzinger, Gregor Kókorz
Der vorliegende Band versammelt alle Aufsätze, die der ehemalige Grazer Ordinarius für Musikwissenschaft Rudolf Flotzinger im Laufe seiner bedeutenden und international anerkannten wissenschaftlichen Tätigkeit der Frühgeschichte der Mehrstimmigkeit gewidmet hat. Die sachlich angeordneten, gründlich überbearbeiteten Texte bieten den Leserinnen und Lesern eine faszinierende Darstellung der frühen Phase der abendländischen Musikkultur. Denn in der artifiziellen Mehrstimmigkeit des Hochmittelalters, dem sogenannten Organum, sind bereits jene Prinzipien wirksam, welche die spätere Kompositionsgeschichte prägen werden: Die Durchdringung von musikalischer Praxis und Reflexion sowie der Rekurs auf die Schriftlichkeit zur Bewältigung und Ermöglichung zunehmender kompositorischer Komplexität. Das Verhältnis zwischen Ein- und Mehrstimmigkeit, zwischen kirklicher und weltlicher Musik, die Verwendung von Musikinstrumente in der Kirche, die Stimmgebung sowie die biographische Ergründung und kulturgeschichtliche Einbettung der uns heute oft recht geheimnisvoll erscheinenden Protagonisten mittelalterlicher Mehrstimmigkeit bieten nur die wichtigsten Aspekte, die Rudolf Flotzinger in diesem Band mit beeindruckender Klarheit zur Darstellung bringt. Dadurch wird auch deutlich, dass der Autor über Jahrzehnte hinweg mit seltener Kohärenz durch seine innovativen Ansätze und Fragestellungen einen Paradigmenwechsel eingeleitet hat, welcher zu einer tiefgreifenden Verbesserung unseres heutigen Verständnisses der Anfänge europäischer Mehrstimmigkeit führt.