Das Spiel mit Gattungen bei Isabella Canali Andreini
Band 1: Zum Verhältnis von Improvisation und Schriftkultur in der Commedia dell'arte. Band 2: Lettere (1607)
Britta Brandt
Isabella Canali Andreini (1562-1604) war als eines der ersten weiblichen Mitglieder der ita¬lienischen Berufsschauspielertruppen ein Star ihrer Zeit. Sie verstand es jedoch nicht nur auf der Bühne, sondern auch im literarischen und gesellschaftlichen Leben akzeptiert und gefeiert zu werden, zumal da sie ihr schauspielerisches Talent, von dem zahlreiche Lobgedichte zeu¬gen, mit literarischen Ambitionen verknüpfte. So umfasst ihr Œuvre eine originelle Pastorale (La Mirtilla), eine petrarkistisch angehauchte, dabei jedoch eigentümlich-eigenständige Gedichtsammlung (Rime), eine 151 Briefe umfassende (Liebes-)Briefsammlung (Lettere) und einige Dialoge (Discorsi), die – ebenso wie die Lettere – von ihrem ebenfalls schau¬spielernden und schreibenden Mann postum herausgegeben wurden.
Im ersten Band werden unter Rückbezug auf literarische und schauspielerische Traditionen Wechselbeziehungen zwischen Bühnen- und Textwirklichkeit untersucht. Inwieweit handelt es sich bei den Texten um verschriftetes Bühnenrepertoire? Inwieweit greift Isabella auf gängige Gattungsschemata zurück? Ist ihre Gedichtsammlung ein typisch weiblicher Canzoniere oder aber entwirft sie ein völlig neues Muster weiblichen bzw. schauspielerischen Schreibens? Lehnt sich ihre Pastorale eher an Tassos großes Vorbild Aminta an (Tasso war Isabella persönlich bekannt) oder geht sie mit Guarini einen neuen Weg hin zum aktionsgeladenen Bühnen-Spiel? Es bleibt bei diesen und weiteren Fragen stets zu berücksichtigen, dass Isabella mit der Autorität eines Akademiemitgliedes den Bezug zum Schauspiel in den Hintergrund und ihre Rolle als ehrenhafte, gelehrte Schriftstellerin in den Vordergrund rückt. Unter Kenntnis ihrer Biographie enthüllen sich jedoch die Verbindungslinien zur Bühne in einem faszinierenden Spiel mit Gattungen, welches ihr Mann Francesco als trauernder Ehemann und Herausgeber nach ihrem Tod in ihrem Namen weiterführt.
Beim zweiten Band handelt es sich um eine ausführlich kommentierte Textausgabe der Lettere, die ein Musterrepertoire von (Liebes-)Briefen darstellen. Anhand dieser Ausgabe kann sich der Leser ein Bild von der Kunst der schreibenden Schauspielerin bzw. spielenden Schriftstellerin machen, die ihre Arbeits- und Lebensbereiche in subtiler, nicht aufdringlicher Weise so miteinander verknüpft, dass in den Wechselbeziehungen nicht etwa ein Abklatsch von Vorlagen, sondern etwas Neues und Einzigartiges entsteht, welches sowohl dem Lese¬publikum als auch den schauspielernden Kolleginnen und Kollegen von Nutzen sein kann.