Deutschland und der Nahe Osten
Von Kaiser Wilhelms Orientreise 1898 bis zur Gegenwart
Rolf Steininger
Der bekannte Zeithistoriker Rolf Steininger legt hier eine großteils aus den Akten erarbeitete, knappe Gesamtdarstellung vor, die Aufschluss über die verschiedenen Phasen der deutschen Politik im Nahen Osten gibt – von Kaiser Wilhelm II. bis in die Gegenwart.
Seit mehr als 100 Jahren ist der Nahostkonflikt der Dauerkonflikt, der Nahe Osten die Krisenregion schlechthin. Und Deutschland – fast immer – mittendrin. Es begann mit Kaiser Wilhelm II. und dessen Zusage, sich für die Idee des Zionisten Theodor Herzl – Errichtung eines Staates in Palästina beim Herrscher des Osmanischen Reiches einzusetzen. Der hielt zwar nichts von dieser Idee, aber das beeinträchtigte nicht die Beziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und dem Deutschen Reich. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war die Rede vom Dschihad – dem Heiligen Krieg – für Kaiser Wilhelm im Kampf gegen die Engländer. Der Nahe Osten wurde Kriegsschauplatz, in dem Deutschland im Bündnis mit dem Osmanischen Reich eine entscheidende Rolle spielte. Die Briten sicherten 1917 den Zionisten ihre Unterstützung bei der Errichtung einer nationalen Heimstätte, einem Staat in Palästina zu, und legten damit den Grundstein für die Konflikte der nächsten Jahrzehnte im Nahen Osten. Deutschlands spielte dort in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg keine große Rolle. Das änderte sich mit der Machtübernahme Hitlers, den die Juden – allen voran der Großmufti von Jerualem – bewunderten. Im Zweiten Weltkrieg rückte der Nahe Osten dann wieder ins Blickfeld deutscher Außenpolitik. Es ging u. a. um den Irak – und wieder um den Großmufti.
Deutsche Nahostpolitik, die den Namen verdient, gibt es erst wieder seit Gründung der Bundesrepublik. Bei allen Aktivitäten wird dabei immer wieder die historische Verantwortung gegenüber dem neuen Staat Israel deutlich. Dabei ging es auch um die Interessen der arabischen Staaten und um den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik. Im Nahen Osten ging es – und geht es – auch um Öl. Beim israelisch-arabischen Krieg 1973 – Yom Kippur – setzten die arabischen Staaten Öl erstmals als politische Waffe ein – sehr zum Leidwesen Bonns. Mit Yom Kippur waren die USA zum entscheidenden Faktor im Nahen Osten geworden. Inzwischen belastete die israelische Siedlungspolitik auch das deutsch-israelische Verhältnis. Auf wenig Verständnis stieß in Bonn 1990 die massive israelische Ablehnung der deutschen Wiedervereinigung. Unbehagen und Misstrauen gegen die Deutschen waren in Israel nach wie vor groß. Inzwischen verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel in Jerusalem, dass Israels Sicherheit „Staatsräson“ Deutschlands sei.