Die 13. Sybille
Die Prophezeiung der Königin Michalda von Saba.
Herta Maurer-Lausegger
Die Sibyllen waren im Altertum weissagende Frauen, die erstmals in Kleinasien belegt sind und später unter verschiedenen Namen in unterschiedlichen Gebieten verbreitet waren. Die sibyllinische Prophezeiung zählt zum prophetischen Schrifttum, in dem alttestamentliche, christliche und profane Inhalte geschickt zu einem Ganzen verwoben sind, gleichzeitig aber auch der Zeitgeist des Entstehens zum Ausdruck kommt. Der messianische und apokalyptische Charakter der Prophezeiungen wurde in den frühen nachchristlichen Jahrhunderten als göttliche Offenbarung verstanden, was im Schrifttum und in der christlichen Kunst zum Ausdruck kommt. Religion und Volksglaube wurden in der Folge immer mehr entzweit, zugunsten heterodoxer und ketzerischer Kreise. Am Beginn der Neuzeit erblühte eine enorme Vielfalt von Weissagungen aller Art in den verschiedensten Bereichen: Politik, Religion, Zeit, Eschatologie. Die maschinschriftliche Fassung der Sibylle aus der Wörthersee-Region stellt eine Variante der 1850 in Leitomischl anonym erschienenen Sibyllinischen Bücher, einer deutschen Übersetzung der tschechischen „Proroctví Michaldy, králowny ze Sáby, třinácté Sibylly“, dar. Die Weissagungen bleiben immer mehrdeutig und sind stets im kulturellen, religiösen, gesellschaftspolitischen und historischen Kontext zu sehen.