Die Allee der Leuchtkäfer – Flio
Zwei Texte aus dem Nachlass
Maximilian Gilleßen, Raymond Roussel, Anton Stuckardt
Die Publikationsgeschichte von Raymond Roussels posthumem Werk sollte derselben Logik des Zufalls und des Geheimnisses gehorchen wie sein Leben. Vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrochen und lange verloren geglaubt, fand sich das Romanfragment Die Allee der Leuchtkäfer schließlich fünfundsiebzig Jahre später im zufällig entdeckten Nachlass, der seit Roussels Tod unbemerkt im Dachstuhl eines Pariser Möbellagers deponiert gewesen war.
Nicht weniger außergewöhnlich als seine Entdeckung ist das Romanfragment selbst. Roussel versetzt uns an die festlich gedeckte Tafel Friedrichs des Großen, der die Sommernächte von Sanssouci mit den brillantesten Köpfen Frankreichs verbringt. Ein unveröffentlichtes Kapitel aus Voltaires Candide, die wundersamen Erfindungen Lavoisiers, die Erzählungen der geschäftstüchtigen Fährmänner des Ebro, das hauchdünne Ikarusleinen und ein erstaunliches Haarwuchsmittel verschmelzen im flimmernden Schein der umherschwirrenden Leuchtkäfer zu einer „karnevalesken Vision der Welt und des menschlichen Tuns“ (Patrick Besnier).
In Flio, einer Erzählung, die erstmals von Michel Leiris veröffentlicht wurde, kehrt Roussel zur melancholischen Stimmung von Locus Solus zurück. Eine Afrika-Expedition führt uns zuletzt an die Küste der Bretagne, wo ein junges Mädchen auf fatale Weise ihrer Lust an der Lektüre und einem Übermaß erotischer Reize erliegt. Die tastende, immer wieder neu ansetzende Bewegung dieses unvollendeten Textes erlaubt einen einzigartigen Einblick in Roussels Arbeitsweise.