Die befreite Stimme
Vom Seelenhauch und vom Kehlenhauch
Susan Rogat
Es ist ein herrlich sonniger Frühlingstag. Viele Menschen sind in der Fußgängerzone bummelnd unterwegs. Morgen ist Wochenende, da gibt es noch so manches zu erledigen. Auf einmal horchen die Passanten auf. Singt da jemand?
Tatsächlich! Ein unscheinbarer Mann mittleren Alters geht beschwingt die Einkaufsmeile hinauf und singt immer wieder aus vollem Halse: „Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König“.
Einige schauen ihm verwundert hinterher, andere schütteln den Kopf oder tippen sich gar mit dem Zeigefinger an die Stirn. Aber die meisten summen oder pfeifen leise das Lied mit und sind ein bisschen fröhlicher geworden durch den einen, der ganz unbefangen seiner Lebensfreude Ausdruck verliehen hat.
So stellt sich die Frage: Wann haben Sie zum letzten Mal so richtig aus vollem Herzen gesungen? Ob allein, in geselliger Runde, zu Hause, bei der Arbeit, in der Kirche, im Wald oder gar in der Badewanne: Singen tut gut! Singen ist wie Aufatmen. Wer mit anderen singt, erfährt Gleichklang. Und selbst wenn einer „nicht singen kann“ und eher brummt, so lässt er andere teilhaben an den Schwingungen seiner Seele. Stimme verrät Stimmung, Stimme macht Stimmung!
Das sind altbekannte Erfahrungen, die auch heute noch gelten. Wir sind jedoch in Gefahr, sie zu vergessen. In einer Zeit elektronischer Perfektion werden Stimmen gestylt, wir werden oft zum rein passiven Musik-Konsumenten oder gar Opfer der akustischen Umweltverschmutzung.
Susan Rogat, eine singbegeisterte Schmerzphysiotherapeutin, zeigt in Ihrem Buch auf, dass die Stimme kein isoliertes Organ ist. Vom Schweigen bis zum Schreien stellt Sie anhand Ihrer Stimmspirale die vielfältigen Ausdrucksphänomene vor. Die Autorin macht Mut, die eigene Stimme (wieder) erklingen zu lassen.