Die Chemiefaserindustrie am Standort Deutschland
Wirtschaft und Finanzen
Klaus Löbbe
Gestützt auf Basisinnovationen des frühen 20. Jahrhunderts, ist die deutsche Chemiefaserindustrie bis weit in die siebziger Jahre hinein stürmisch gewachsen. Seit Anfang der 90er Jahre gehen Umsatz und Produktion jedoch zurück, da die Nachfrage in wichtigen Bereichen nachlässt und die Kapazitäten weltweit stark ausgeweitet wurden. Dies hat zu einem bis zuletzt steigenden Importdruck und sinkenden Preisen geführt, denen die deutsche Chemiefaserindustrie durch veränderte Unternehmensstrukturen, Rationalisierung und Erschließung neuer Verwendungsbereiche, etwa in den technischen Einsatzbereichen, zu begegnen versucht. Die Arbeitnehmer haben dies durch moderate Lohnabschlüsse unterstützt und die intensive Nutzung der tariflichen Öffnungsklauseln hingenommen. Gleichwohl sind seit 1995 mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze verloren gegangen.
Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen – hohen Wechselkursen sowie steigenden Energie- und Rohstoffkosten – wird die Branche auch in Zukunft mit einem Rückgang von Umsätzen, Produktion und Beschäftigung rechnen müssen. Die Politik könnte aber zu einer Stabilisierung der Chemiefaserindustrie beitragen, wenn sie den industriellen Kern der deutschen Wirtschaft nicht mehr wie bisher einseitig belasten, sondern als Teil des Industrie- und Dienstleistungsstandortes Deutschland begreifen würde.