Die frühen Slawen – von der Expansion zu gentes und nationes Band 1
Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas Band 81/1
Felix Biermann, Jürgen Hardt, Thomas Kersting, Anne Klammt, Jürgen Udolph
Die slawische Expansion zwischen dem 6. und dem 8. Jh. in Mittel- und Osteuropa – die das Schwerpunktthema der Sektion zur slawischen Frühgeschichte des 8. Deutschen Archäologiekongresses in Berlin (06.-10. Oktober 2014) bildete – wird kontrovers betrachtet. Dieser Prozess betraf nicht nur ein riesiges Gebiet, sondern entfaltete politisch-kulturelle Räume, die bis heute im östlichen Mitteleuropa als Bezugspunkte der kulturellen Identität empfunden werden. Vielfältig ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Problemkreis der
slawischen Expansion. Umstritten sind der Ausgangspunkt, die Zeitverhältnisse und die Art und Weise der Ausbreitung. So wird diskutiert, ob ein Wirtschafts- und Kulturmodell. ob Identitäten, die Sprache oder Gruppen von Menschen wanderten. Handelte es sich in erster Linie um Migrationen oder um einen Transfer kultureller Aspekte in verschiedenen sozialen Milieus?
Die Forschungen der vergangenen Jahre haben byzantinische und awarische wie fränkische und skandinavische Bezugspunkte bei den frühen Westslawen herausgestellt. Entsprechend ist das Vorhandensein einer einheitlichen
frühslawischen Kultur, der Prager Kultur bzw. dem Prager Horizont, hinterfragt worden. Im Norden des westslawischen Raumes stellt sich zudem wiederkehrend die Frage nach Art und Umfang des Kontaktes mit der spätvölkerwanderungszeitlichen Bevölkerung, deren Umfang für die nördlichsten Gebiete unterschiedlich eingeschätzt wird. Eigens erörtert wurde dies auf der Tagung in einem gemeinsamen Panel mit der AG Römische Kaiserzeit im Barbaricum. Bewusst greift das Schwerpunktthema einen weiten zeitlichen Horizont und einen großen, bis in das ostslawische Gebiet reichenden Raum auf, um die ganze Vielfältigkeit eines heterogenen Prozesses zu erfassen, der im 8./9. Jh. in annähernd allen westslawisch besiedelten Gebieten in der Formation politischer Verbände sozial und ökonomisch komplexer Gesellschaften kulminierte. Diese werden als gentes und nationes in den schriftlichen Aufzeichnungen ihrer Nachbarn sichtbar und ihre Herrschaftsstrukturen
zeichnen sich im archäologischen Fundbild u. a. durch die Errichtung von Burgen ab.
Weitere 19 der 36 Beiträge dieser Veröffentlichung (Teilband 2) widmen sich aktuellen Forschungen zur slawischen Archäologie. Es befinden sich darunter kritische Reflexionen der Interpretation von Schriftquellen, wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten und die Vorlage neuer Grabungsfunde und -befunde.
(Auszug Vorwort)
INHALTSVERZEICHNIS:
Vorwort
TEIL 1 – BEITRÄGE ZUM SCHWERPUNKTTHEMA
Felix Biermann:
• Über das „dunkle Jahrhundert“ in der späten Völkerwanderungs- und frühen Slawenzeit im nordostdeutschen Raum
Jürgen Udolph:
• Heimat und Ausbreitung slawischer Stämme aus namenkundlicher Sicht
Matthias Hardt:
• Warlords bei den frühen Slawen?
Marcin Woloszyn:
• Slawen von der Ostsee beim byzantinischen Kaiser Maurikios um 595? Zur Glaubwürdigkeit der Überlieferung bei Theophylaktos Simokates, Historiae VI.2
Elena F. Kasjuk:
• Die Ostslawen auf dem Gebiet Weißrusslands im letzten Viertel des 1. Jahrtausends n. Chr. – ein Überblick zum gegenwärtigen archäologischen Forschungsstand
Armin Volkmann:
• Archaeological Information Systems (AIS) for Digital Cultural Heritage Management: Identifying Prehistoric Iron Age and Early Middle Ages Settlement Dynamics in the Lower Oder Region
Miroslaw Ciesielski, Bartlomiej Gruszka und Anna Luczak:
• Sozioökonomische und geografische Bedingungen der Entwicklung der frühmittelalterlichen Besiedlung (6.-11. Jahrhundert) im Tal der mittleren Oder
Hans-Iörg Nüsse:
• Das Hannoversche Wendland zwischen der jüngeren Römischen Kaiser- und der frühen Slawenzeit
Uwe Michas:
• Die frühslawische Besiedlung des Berliner Raums
Alexander Pust:
• Die frühslawische Besiedlung im Land Lebus
Elisabeth Nowotny:
• The archaeology of early Slavic settlements in Lower Austria
Torsten Geue:
• Slawen auf dem Altstädtischen Markt in BrandenburgjHavel – ein unbekanntes Gräberfeld der Brandenburg?
Thomas Kersting, Ottilie Blum, Bettina Jungklaus und Barbara Teßmann:
• Bestattungsritus im Wandel- slawische Gräber bei Leest, Lkr. Potsdam-Mittelmark
Heike Kennecke:
• Burg und Siedlung von Hohennauen (Havelland) in früh- und mittelslawischer Zeit
Nad’a Profantova:
• Errichtung und Zerstörung der ersten frühmittelalterlichen Burgwälle in Böhmen (8./9. Jahrhundert)
Dominik Nowakowski:
• Überlegungen zum frühmittelalterlichen Siedlungskomplex Gustau (Costyn) in Niederschlesien aufgrund archäologischer und toponomastischer Quellen
Andreas Kieseler:
• „Hoffentlich sind uns die Geister der Burgbesatzung günstig gestimmt“ – zur Funktion des Gustauer „Schmiedebergs“ aufgrund der Ausgrabungsergebnisse Kurt Langenheims von 1938