Die Heilkunde im Alten Ägypten
Magie und Ratio in der Krankheitsvorstellung und therapeutischen Praxis
Kamal Sabri Kolta, Doris Schwarzmann-Schafhauser
Erstmalig wurden – in einer interdisziplinären Studie – alle greifbaren medizinischen Texte Altägyptens zusammengestellt und auf ihre Konkordanz mit den Befunden der altägyptischen Paläopathologie bzw. historischen Anthropologie hin untersucht. Aus bislang noch nicht medizinhistorisch erschlossenen Inschriften und religiösen Texten konnte als neuer Deutungshintergrund neben religiös-kultischen Vorstellungen auch eine sog. Nilstromlehre freigelegt werden.
In Analogie zum lebenspendenden Nil nahm der altägyptische Arzt die Existenz eines körpereigenen Verdauungs- und Ableitungsstroms an, dessen Regulierung und intakte Kanalisation mit Wohlbefinden und Gesundheit, dessen Stockung und „Verstopfung“ dagegen mit Krankheit gleichgesetzt wurden.
Eine naturalistisch-spekulative Sichtweise, deren konsequente Anwendung bei der Deutung fachliterarischer Texte nicht nur eine Revision der bisher gültigen anatomisch-physiologischen, pathologischen und diagnostischen Interpretationen erzwingt, sondern auf weite Strecken auch die bislang bestehende Diskordanz zwischen den Ergebnissen paläopathologischer und philologischer Forschung aufzulösen vermag.