Die Last der Stereotype
Geschlechterrollenbilder und psychische Belastungen im Betrieb
Michael Gümbel, Sonja Nielbock
Psychische Belastungen in der Arbeitswelt haben seit einigen Jahren an Bedeutung gewonnen. Der Wandel der Erwerbsarbeit und ein verändertes Verständnis der Zusammenhänge von Belastungen und Gesundheit haben neue Aufgaben für die betriebliche Gesundheitspolitik in den Mittelpunkt gestellt. In der Gesundheitsforschung und -praxis beginnt sich ein geschlechtersensibler Ansatz zu etablieren. Einerseits werden Maßnahmen dabei zielgenauer, andererseits lassen sich damit bisherige Benachteiligungen zwischen den Geschlechtern ausgleichen. Es liegt also nahe, auch bei den psychischen Belastungen und Ressourcen die Geschlechterkategorie mit zu berücksichtigen. Wie das aussehen kann, dazu gibt es bisher nur wenige Ansätze. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Genderstudies liegt es nahe, einen ersten Zugang über die symbolische Ebene von Geschlecht zu wählen, also bei den Bildern, Vorstellungen und Bewertungen der sozialen Geschlechterrollen.
Die vorliegende Studie stellt Vorstellungen von Beschäftigten über die Belastungen und Ressourcen von Frauen und Männern in drei Betrieben dar. Welche Bilder existieren hierzu in den Betrieben? Werden bestimmte Belastungen eher einem Geschlecht zugeschrieben und werden bestimmte Ressourcen eher bei einem anderen Geschlecht wahrgenommen? Dabei konnten vielfältige Zusammenhänge zwischen einzelnen Belastungskategorien und Ressourcen einerseits und Geschlechterrollenbildern andererseits aufgezeigt werden. Die erhobenen Geschlechterrollenbilder wurden in den Betrieben zur Entwicklung von Praxisansätzen genutzt, die zugleich auf eine Verbesserung der Belastungssituation wie auf eine Veränderung der Geschlechterverhältnisse hinwirken sollten. Dabei stand im Mittelpunkt der Aktivitäten das Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz. Anhand der drei Fallstudien werden wesentliche Hinweise für die weitere Erforschung der Geschlechterdimension psychischer Arbeitsbelastungen gegeben sowie Anregungen für die betriebliche Praxis aufgezeigt.