Die Muse im Pelz
Die "Venus im Pelz" als Muse der Massenkultur
Boris Groys
Das Liebesmodell, das Leopold von Sacher-Masoch in seinen Werken, auch in seinem bekanntesten Roman Venus im Pelz ausführt, kreist nach Boris Groys ganz zentral um die Frage nach der Dauer der Liebe und darum, dass die Evidenz der Liebe keine Dauer hat, die über den Augenblick hinausgeht; eine Einsicht, die Wanda sich längst zu eigen gemacht hat, nur Severin, ihr ›Sklave‹, muss als Schriftsteller, dessen Arbeit Zeit, also Dauer verlangt, dieser Einsicht widerstehen.
Die Massenkultur ist eine Kultur der augenblicklichen Evidenz und der spontanen, flüchtigen Liebe. Der Augenblick der Evidenz manifestiert sich heute nämlich als Augenblick des Kaufs und des Verkaufs, als Augenblick einer kommerziellen Transaktion. Es handelt sich um eine Evidenz, die als Manifestation der ultimativen Wahrheit anerkannt wird und nach keiner zusätzlichen Legitimation mehr verlangt.
In einem geistreichen und ideensprühenden Essay bringt Groys seine Deutung der masochistischen Grundsituation mit Phänomenen der gegenwärtigen Kulturrezeption und zentralen Fragen der Philosophie zusammen. Die paradigmatische Figur in der Kunst unserer Zeit ist offensichtlich nicht mehr der individuelle Künstler, sondern die Pop-(oder Rock- oder Hiphop-) Gruppe. Und Pop-Gruppen werden nach dem Grad der aktuellen Verbreitung ihrer Produktion beurteilt.
Der masochistische Genuss ist für Autoren nach der avantgardistischen Position und nach der Camp-Sensibilität ‚einer der wenigen, die uns noch geblieben sind‘.