Die Nonne und der Mörder
Und andere (über)sinnliche Geschichten
Maria Isabel Barreno, Elfriede Engelmayer
Diesen Erzählungen ist eine Subversion eingeschrieben: die Subversion der Annahme, die Gesellschaft funktioniere auf der Grundlage eines allgemeinen Konsenses, eines „senso comum“ in Bezug auf die Wirklichkeit, und die Beziehung zwischen Sprache und Objekt sei ein sicheres Terrain, auf dem sich die Menschen bewegen. Die Aufhebung dieser Übereinkunft durch die „sensos incomuns“, durch die „ungewöhnlichen Sinne“, vollzieht sich in diesen Erzählungen auf vielerlei Art: da führen spielerisch-sprachliche Perversionen zum Verlust des Arbeitsplatzes; da nimmt eine Romanfigur menschliche Gestalt an und tritt ins Leben des Lesers; da gewinnt die Zeit Bewusstsein und kritische Stimme. Einige dieser Erzählungen enthalten Elemente des Phantastischen, die die Umrisse einer schon festgelegten Welt in Frage stellen. In einem der eindrucksvollsten Texte ‚befreit’ eine unreflektierte Tat die im Schutze religiösen Lebens gefangen gehaltene zweite Persönlichkeit einer Nonne. Oft kapituliert die Phantasie angesichts einer sozialen Wirklichkeit, in der nur Sachwzänge zu herrschen scheinen.Was aber die Logik des reinen Überlebens überschreitet, wirdzum unspektakulären Sieg der Individuen. – Maria Isabel Barreno (* 1939) erhielt für diese Anthologie – zweifellos ihr bester Erzählband – den Preis des portugiesischen PEN-Clubs sowie den „Camilo Castelo Branco-Preis“ des portugiesischen Schriftstellerverbands.