Die Ohnmacht der Macht
Die letzten Tage Kaiser Heinrichs IV.
Ulrich Kunath
Lüttich im Sommer 1106. Der salische König und Kaiser Heinrich IV., bekannt durch seinen Gang nach Canossa, ist sterbenskrank. Er hat seinen Taufpaten, den bedeutenden und inzwischen 82-jährigen Abt Hugo von Cluny rufen lassen. Die letzten Tage seines Lebens möchte Heinrich dazu nutzen, um seine Sichtweise der machtpolitischen Vorgänge und seiner Herrschaft im Römischen Reich Deutscher Nation darzulegen. Abt Hugo soll seine Erinnerungen aufschreiben und der Nachwelt verkünden, dass er nicht der boshafte, sittenlose und listige König und Kaiser gewesen sei, für den ihn eine Reihe seiner Zeitgenossen gehalten haben. Heinrich lernte schon früh das politische Ränkespiel kennen und begann, jedem zu misstrauen. Auf sein königliches Amt unzureichend vorbereitet, beging er taktische Fehler, die ihm die lebenslange Feindschaft der Sachsen und den Ruf eines unsympathischen und verruchten Herrschers eintrug. Repräsentierten die weltliche und geistliche Macht bis dahin eine Einheit in der gottgewollten Ordnung, wird diese Verbindung erstmals im 11. Jahrhundert durch die Päpste und unter ihnen besonders von Papst Gregor VII. in Frage gestellt und gefährdet. Der Papst erhebt sich über Kaiser und Könige und fordert von allen Gehorsam fordert. Der Konflikt eskaliert. Von der förmlichen Versöhnung zwischen ihm und Gregor auf der Burg Canossa werden die Reichsfürsten, die Heinrich zu entmachten trachten, überrascht. Selbst sein erstgeborener Sohn Konrad und seine zweite Frau Eupraxia wenden sich offen gegen ihn. Auch sein zweiter Sohn Heinrich (V.) fällt von ihm ab, bekämpft und entmachtet ihn in entwürdigender Weise. Hugo von Cluny kennt die Verhältnisse, mit denen Heinrich zu kämpfen hatte, ist mit Heinrich nicht immer einer Meinung, berichtigt und ergänzt dessen Ausführungen, nimmt sich aber vor, den Kaiser vor der Nachwelt zu rechtfertigen. Historische Quellen und die Darstellung jener Zeit durch namhafte Historiker bilden die Richtschnur.