Die Schule an der Grenze
Péter Esterházy, Géza Ottlik, Charlotte Ujlaky
Die nachtschwarze Seite der erzieherischen Disziplin Die Schule an der Grenze erschien erstmals drei Jahre nach dem ungarischen Aufstand von 1956 und galt als literarische Sensation: Der wegweisende Roman für die nachwachsende Generation der jungen ungarischen Autoren wie Péter Esterházy oder Peter Nádas. Die Jungs heißen Gabor, Attila, Medve, Benedek, Orban oder Pal, sind zehn Jahre alt, kommen meist aus wohlhabenden ungarischen Familien und erleben die ersten Wochen in der Kadettenschule in Köszeg. Von einem Augenblick auf dem den anderen müssen sie erfahren, dass alles, was sie zu Individuen macht, was sie im Schoß ihrer Familien geprägt hat, an diesem Ort keine Gültigkeit mehr hat: Anstand, Güte, Demut und Rücksicht, Freundschaften und Beziehungen, ja sogar Sprache und Gestus. Aus kindlicher Perspektive schildert der Ich-Erzähler die machtversessenen Cliquenbildungen, deren Katalysator die Terrorisierung von Außenseitern ist. Wer dicker oder kurzsichtig ist, wer stottert oder vor Heimweh weint, hat schon verloren. Der kühle Tonfall des Erzählers, der eine Quälerei nach der anderen schildert, als handele es sich um unvermeidliche Naturereignisse, erzeugt einen trügerischen Schein von wissenschaftlicher Objektivität; doch genau darin liegt die literarische Kunstfertigkeit des Autors – das Normale, das er schildert, ist das Entsetzliche, und vice versa. Der Leser ist gebannt, zwischen Mitleid und böser Neugier schwankend: Wann nur hört die alltägliche Gemeinheit auf‘ Géza Ottliks These scheint klar: Sie hört niemals auf.