Die Tagebücher des Grafen Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1687-1741) als Selbstzeugnis eines pietistischen Landesherrn
Christoph Reimann
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich die kleine, politisch und wirtschaftlich unbedeutende Grafschaft Sayn-Wittgenstein-Berleburg zu einem Zentrum des Pietismus. Maßgeblich verantwortlich dafür war Graf Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1687-1741), der als Landesherr diese Entwicklung nicht nur tolerierte, sondern gezielt vorantrieb. Casimirs pietistische Gesinnung prägt auch seine umfangreichen Tagebücher, die er von 1724 bis zu seinem Todesjahr 1741 führte.
Die vorliegende Studie liefert eine umfassende Analyse dieser Tagebücher, wobei der Schwerpunkt auf dem pietistischen Charakter der Quelle liegt. Dabei entsteht das Bild eines frommen und gewissenhaften Landesherrn, der sich nicht nur für das diesseitige Wohl seiner Untertanen, sondern ebenso sehr für ihr Seelenheil verantwortlich fühlt, zugleich aber von der eigenen Sündhaftigkeit überzeugt ist und sich nach einer radikalen Wiedergeburt sehnt. Durch Einbeziehung weiterer Quellen aus den Berleburger Beständen wird deutlich, wie sehr die skrupulöse Gewissenhaftigkeit, die Casimirs Tagebücher kennzeichnet, auch die Praxis seiner Landesherrschaft beeinflusste.
Gleichzeitig zeichnen die Tagebücher ein lebendiges Bild von der Vielfalt des pietistischen Spektrums in Berleburg. Dabei offenbaren sie auch, wie die gepredigte Toleranz und Irenik in der Praxis durch die Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Positionen gefährdet wurde. Ergänzt wird die Arbeit durch eine Reihe von Anhängen, die einen möglichst umfassenden Eindruck von der Quelle vermitteln und ihre Nutzung für weitere Forschungszwecke erleichtern sollen.