Die Vogelbeeramsel
Biologische Sach- und Quatschgeschichten für Kleine und Grosse
Reinhard Witt
Worum es geht? Da wäre mal die Hauptgeschichte. Sie spielt auf
einer ziemlich sandigen Insel an Nord- oder Ostsee. Wo Überleben
schwer ist. Trotzdem wachsen da Pflanzen. Wie ist das möglich? Die
Antwort lautet: Ökotypen. Vogelbeeren, die an Dürre, Hitze,
schneidende Winde angepasst sind. Was ganz besonderes. Die
Hauptgeschichte ist, wie eine Vogelbeere von der Vogelbeeramsel
verspeist wird, zu wachsen versucht, es beinahe nicht schafft und
knapp überlebt.
Aber das macht sie nicht allein. Natur knüpft Netzwerke und alles
hängt mit allem zusammen. Jetzt kommen viele kleine
Nebengeschichten ins Spiel. Alles Tiere, die in irgendeiner Weise
mit der Vogelbeere zusammenhängen: bestimmte Schmetterlinge,
Bienen, dazu Blattläuse, Marienkäfer, Ameisen. Zu Ameisen passen
Ameisenlöwen. Und sogar Hase und Fuchs sagen sich da oben gute
Nacht, das versucht jedenfalls der Fuchs hinzukriegen.
Na ja, wie das so ist: Jeder will überleben und macht das auf seine
Art. Klappt natürlich nicht immer, auch das ist Natur. Aber jeder
versucht, seine Geschichte zu erzählen, die seines Lebens.
Der biologische Hintergrund ist somit klar definiert. Doch nun kommen die Charaktere ins Spiel, die leicht skurril oder auch
abgedreht sind. Ziemlich verrückt machmal, was so zwischen den Seiten passiert. Ein Igel, der sich die Hacken abrennt im Sand.
Der Sandlaufkäfer, schnell wie ein Düsenflieger, der Fasan, … Und zu allem Überfluss das sprechende Ei.
Gezeichnet hat Illustrator Stefan Berchtold, mit vielen kleinen witzigen Szenen und Figuren, die einem manchmal sehr vertraut
vorkommen in ihrem Gehabe. Dabei ist ihm auch das eine oder andere Tier hineingerutscht ist, was gar nicht auf die Insel gehört,
ein ständig missverstandenes Schwein zum Beispiel oder ein tanzender Bär. Gar nicht zu reden von der Silberameise aus den
Wüsten Nordafrikas, der es aber hierzulande noch zu kalt ist. Sie wartet noch ein bisschen – auf den Klimawandel. Die Story ist
vielschichtig. Na ja. und weil das Leben gerade und überhaupt so verrückt ist und gar nicht mehr so klappt, wie es soll, wundert
auch nicht, dass manches schiefgeht. Stefan Berchtold erfand im Grund nicht nur eine Vogelbeeramsel, sondern acht. Aber nur
eine durfte ins Buch. Ins Buch nämlich, das woll(t)en alle. Bis auf die Schwester der Vogelbeere, die plötzlich nicht mehr möchte,
aber damit verraten wir schon die Geschichte…
Weil echte Natur aus vielen Mitspielern bestehen muss, die nicht alle wertschätzen, hat Illustratorin Zoë Matt-Williams zum
Schluß noch 28 Spinnen in die Geschichten eingewoben, die es im Spinnensuchspiel zu entdecken gilt. Denn auch die wollten ins
Buch, einfach leben und mitten drin sein, endlich und einmal so richtig erkannt und erfunden werden.
Für wen das alles ist? Ganz klar, für die Nord-, Ost-, West- und Südfriesen. Also für Niedersachsen und alles daneben und
darunter. Und so. Bloß nicht für Bayern, nicht für Züricher – und auch kein Wiener sollte das Buch anschauen. Führt zu
Meeresrauschen in den Ohren und zu Sehnsucht nach heißem Sand. Oder zu sommerlichen Monsterstaus auf der A 9 München-Berlin?