Doctor Trojan
Ralf Bogner, Ferdinand von Saar
Ferdinand v. Saar (1833–1906) befasst sich in seiner späten Novelle Doctor Trojan (Erstdruck 1896) literarisch mit einem
winzig scheinenden Detail des Modernisierungsprozesses während der letzten Jahrzehnte der Habsburgermonarchie, das dennoch gravierende Auswirkungen auf das Leben des Einzelnen zur Konsequenz hat. Er erzählt von einem in der
mährischen Provinz praktizierenden, als Heiler höchst erfolgreichen und dabei völlig selbstlosen Kurpfuscher, der durch die sukzessive Professionalisierung der medizinischen Versorgung am Land unaufhaltsam in die Enge getrieben wird. Gegen seine Konkurrenten, den neu installierten Gemeindearzt und einen akademisch ausgebildeten Apotheker, kann der dokternde Autodidakt nur verlieren und schließlich auf tragische Weise im Suizid untergehen.
Innerhalb einer vielschichtigen Erzählkonstruktion erörtert Saar anhand seines scheiternden Protagonisten Grundfragen
der menschlichen Existenz, etwa die unauflösliche Spannung zwischen individueller Schuld, den kaum veränderlichen
charakterlichen Anlagen eines Menschen und seiner unüberwindlichen Einbindung in größere gesamtgesellschaftliche
Prozesse, welche oft über das Individuum rücksichtslos hinwegrollen.
Der vorliegende Band präsentiert Saars Novelle erstmals in einer modernen wissenschaftlichen Edition auf der Basis der
überlieferten Handschrift und der vier zeitgenössischen Drucke und mit einem ausführlichen Sprach- und Sachkommentar
sowie einem umfangreichen Nachwort.