Einfluss der Unterkiefermorphologie auf die Proklination der Unterkieferfrontzähne während einer Klasse II Behandlung mit der Herbstapparatur
Lisa Lenz
Die vorgelegte retrospektive, explorative Arbeit hatte zum Ziel, Informationen zu erlangen über das Ausmaß der Proklination der Unterkieferfrontzähne, in Abhängigkeit von der Morphologie des Unterkiefers, während einer Behandlung mit einer Herbstapparatur. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Nachweis röntgenologisch-morphologischer Merkmale, für eine mögliche Prognose des Ausmaßes der Proklination. Dabei wurde als Hauptzielparameter der Kieferwinkel (ArGo´Gn) untersucht. Weiterhin wurden als Nebenzielparameter der Mandibularbasiswinkel (ML/NSL) und die kortikale Dicke des Unterkiefers, ermittelt aus OPG und FRS, analysiert. Nach der statistischen Auswertung wurde als fünfte Subgruppe zusätzlich die Proklinationsveränderung zwischen den Untersuchungszeitpunkten T0 und T1 (ii/ML T1-T0) betrachtet. Alle Messungen der kephalometrischen Auswertung, sagittalen okklusalen Analyse nach Pancherz (Pancherz, 1982a), der Ermittlung der kortikalen Dicke anhand von OPG und FRS (Rothe et al., 2006; Wical & Swoope, 1974) und der Erhebung okklusaler Variablen (OJ, OB, MR und Little Irregularity Index (Little, 1975)) wurden zweifach durchgeführt und der Mittelwert für die weiteren Analysen verwendet. Als Behandlungszeitpunkt wurde T0 (vor der Behandlung mit der Herbstapparatur) und T1 (Entfernung der Herbstapparatur) definiert.
Folgende Einschlusskriterien wurden angewendet:
– Okklusale Kriterien: Angle Klasse II:1, Dentalstadium (Björk et al., 1964) (DS4 M1-2), Distalokklusion ( ≥ ¾ Pb)
– skelettale Kriterien: skelettale Reife ≤ MP3-G (Hägg & Taranger, 1982) bzw. S4 (Hassel & Farman, 1995)
– behandlungsspezifische Kriterien: Herbstapparatur im gegossenem Splintdesign, guter Allgemeinzustand der Patienten
– organisatorische Kriterien: dreidimensional getrimmtes Gipsmodell (T0), FRS (T0 + T1; nicht älter als 12 Monate), OPG T0
– 94 Patienten erfüllten alle aufgeführten Kriterien. Sie waren zwischen 1991 und 2017 in der Poliklinik für Kieferorthopädie des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Justus-Liebig-Universität Gießen mit der Herbstapparatur behandelt worden. Die Behandlung dauerte dabei durchschnittlich 7,87 ± 1,5 Monate und die Patienten waren 13,3 Jahre alt.
– Hinsichtlich der morphologischen Parameter, die mit der Proklination der Unterkieferfrontzähne zusammenhängen, konnten keine klinisch relevanten Erkenntnisse gewonnen werden, da sich keine systematischen Zusammenhänge zeigten. Schlussfolgernd kann festgestellt werden, dass die Morphologie des Unterkiefers auf der Basis des Kieferwinkels (ArGo´Gn) keinen klinisch relevanten Einfluss auf das Ausmaß der Frontzahnproklination während einer Behandlung mit einer Herbstapparatur zu haben scheint.