Einflüsse der mikroskaligen Oberflächen-geometrie von Asphaltdeckschichten auf das Tribosystem Reifen-Fahrbahn
Markus Weise
Im Verkehrswesen werden an eine qualitativ hochwertige und dauerhafte Straßenver-kehrsanlage besondere Anforderungen hinsichtlich ihrer Sicherheit und Funktionalität gestellt. In der vorliegenden Arbeit werden daher die qualitativen und quantitativen Einflüsse von extrinsischen und intrinsischen Faktoren auf diese wesentlichen Grundanfor-derungen untersucht.
Bei einer isolierten Betrachtung der Oberfläche einer Fahrbahndeckschicht als das Verbin-dungselement zwischen dem Reifen und der Straße hinsichtlich dieser Grundanfor-derungen, gelten ein ausreichendes Drainagevermögen, die Griffigkeit und das akustische Verhalten als die zentralen Oberflächeneigenschaften. Diese funktionalen Eigenschaften werden im Wesentlichen durch die geometrische Ausprägung einer Deckschicht, der Textur, beeinflusst und können unterschiedliche, teils gegensätzliche Anforderungen besitzen. Beispielsweise ist die Grobrauheit (Makrotextur) für das horizontale Drainage-vermögen ausschlaggebend, während die Feinrauheit (Mikrotextur) für eine ausreichende Haftreibung zwischen Reifen und Fahrbahn verantwortlich ist. Umgekehrt existiert ein Wellenlängenbereich der Oberflächentextur, der sowohl auf die Griffigkeit als auch auf das akustische Verhalten der Deckschicht einwirkt. Das übergeordnete Ziel aktueller Forsch-ungsarbeiten im Straßenwesen ist daher die Entwicklung von Modellen, auf deren Grundlage jede der Oberflächeneigenschaften für sich mittels numerischen Simulations-verfahren abgebildet werden kann. Eine anschließende Kombination dieser einzelnen Modelle stellt die Möglichkeit in Aussicht, im Bereich der Asphalttechnologie zukünftig Materialdesign zu betreiben. Auf diese Weise lassen sich, je nach Anforderung an die Oberflächeneigenschaften einer konkreten Straße, bestimmte funktionale Eigenschaften gezielt begünstigen.
Im Fokus dieser Arbeit liegt die Untersuchung der Griffigkeit von Fahrbahnoberflächen. Primäres Ziel ist dabei die Bestimmung des Zusammenhangs zwischen der hochaufgelöst gemessenen Geometrie der Oberflächentextur auf der Mikroskala und der daraus abzuleitenden Dimension der Griffigkeit, insbesondere dem damit verbundenen Haftrei-bungsniveau.
Dazu werden zunächst geometrische und statistische Parameter von bestehenden Asphalt-proben bestimmt, um die isotrope Textur einer Deckschicht eindeutig definieren zu kön-nen. Anschließend werden auf Grundlage dieser Parameter künstliche Texturen mit unter-schiedlichen Wellenlängen generiert. Dabei wird der selbstaffine Charakter des tech-nischen Werkstoffs Asphalt herangezogen und anhand seiner mehrskaligen fraktalen Struktur realitätsnahe Mikrotexturen generiert. In diesem Zuge werden Methoden in ein Software-Tool implementiert, mit denen im Rahmen der Datenvorverarbeitung die aus den Texturmessungen resultierenden fehlenden oder verrauschten Texturhöhendaten sowie
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Irregularitäten, wie Messausreißer, aufbereitet respektive beseitigt werden können. Des Weiteren werden Funktionen entwickelt, die es ermöglichen mithilfe von Filterverfahren die langwelligen Anteile (Makrotextur) von den kurzwelligen Anteilen (Mikrotextur) zu trennen, um auf diese Weise eine exklusive Betrachtung der Mikrotextur zu erreichen.
Im Anschluss daran wird die Reibkomponente Hysterese, der Energietransfer zwischen Reifen und rauen Oberflächen, der auftritt, wenn das Elastomer durch die Unebenheiten der Textur zusammengepresst wird und anschließend wieder in seine Ausgangsposition zurückfedert, numerisch simuliert. Mithilfe dieses Wissens können die Grundlagen geschaffen werden, um mittelfristig die konventionellen Griffigkeitsmessverfahren, die alle taktil erfolgen und daher aufwendig und kostenintensiv sind, durch berührungslose optische Messmethoden zu ersetzen.
Zahlreiche Modelle zur Beschreibung der Griffigkeit betrachten lediglich Profilschnitte und vernachlässigen dadurch die dreidimensionalen statistischen Eigenschaften einer Textur. In der vorliegenden Arbeit wird daher eine hierarchische Simulationsmethodik eingeführt. Sie ermöglicht es das komplexe dreidimensionale Kontaktproblem Reifen-Fahrbahn auf ein vereinfachtes eindimensionales Ersatzsystem zu reduzieren, ohne die dreidimensionalen Kontakteigenschaften zu vernachlässigen.
Auf dieser Basis lässt sich die Haftreibung rechentechnisch effizient simulieren. Das in der numerischen Simulation entstehende tribologische Modell führt die Parameter der Texturgeometrie und die viskoelastischen Eigenschaften des Reifenelastomers zusammen. Dies ermöglicht als Ergebnis die Ableitung der in den Mikrokontakten wirksamen Kraft-verhältnisse, aus denen sich quantitativ geschwindigkeits- und belastungsabhängige Haft-reibungskoeffizienten und effektive Kontaktflächen zwischen den beiden Reibpartnern ermitteln lassen. Die spezifische Variation von Texturen und ein Vergleich der daraus berechneten Reibkurven mit den eingangs bestimmten Parametern zur Charakterisierung der Texturen ergibt Aufschluss über den Zusammenhang der Mikrotexturgeometrie und dem dazugehörigen Griffigkeitsniveau.