Einkommensreichtum und seine Ursachen
Die Bestimmungsfaktoren hoher Arbeitseinkommen
Dierk Hirschel
Individueller Reichtum, seine Entstehung, Funktion und Legitimation sind seit über 200 Jahren ein zentrales Thema der Nationalökonomie. Insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation rücken Verteilungsfragen verstärkt in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Hohe Arbeitseinkommen sind ein wesentlicher Bestandteil individuellen Reichtums. Die unzureichende empirische Daten- und Quellenlage zu hohen Arbeitseinkommen ist jedoch der Steinbruch für eine umfangreiche wirtschaftswissenschaftliche Mythenbildung:
Hohe Arbeitseinkommen repräsentieren aus Sicht der herrschenden Lehrmeinung einen stärkeren Leistungswillen und somit eine höhere Grenzproduktivität der Besserverdienenden. Hohe Einkommensunterschiede sind Ausdruck eines funktionierenden Anreizsystems, innerhalb dessen hohe Einkommen eine positive Lenkungsfunktion übernehmen. Die Legitimität von Einkommensreichtum in kapitalistischen Gesellschaften basiert auf der Annahme der Gültigkeit des Leistungsprinzips und der Existenz von Chancengleichheit. „Individuelle Leistung“ und funktionale Erwägungen sollten darüber entscheiden, ob jemand eine Position besetzen kann, die mit hohem Arbeitseinkommen verbunden ist. Die empirische Relevanz des Leistungsprinzips erfordert einen starken Einfluss nicht-meritokratischer Faktoren (Humankapital, Arbeitszeit) auf die Einkommensentstehung.
In eklatantem Gegensatz zur Popularität dieser These steht ihre empirische Fundierung. Die Studie des Autors untersucht erstmals für die Bundesrepublik Deutschland die Struktur und Bestimmungsfaktoren hoher Arbeitseinkommen auf der Basis einer interdisziplinären Datenbasis (Sozioökonomisches Panel). Herausgearbeitet werden die unterschiedlichen sozioökonomischen und soziodemographischen Charakteristika von Reichen und Nicht-Reichen. Durch die Analyse der Bestimmungsfaktoren hoher Arbeitseinkommen gelingt es, Aussagen darüber zu treffen, inwieweit es sich hierbei um „Leistungseinkommen“ handelt, oder nicht vielmehr um das Ergebnis einer sozialen Selektion durch soziale Herkunft oder geschlechtliche Diskriminierung. Die Ursachen des finanziellen Erfolgs der „Besserverdienenden“ geben gleichzeitig Auskunft über seine Legitimität.