Ermittlung robuster Schaltzustände für den Betrieb elektrischer Übertragungsnetze
Andreas Manuel Moormann, Albert Moser
Anhaltende Entwicklungen in der Elektrizitätsversorgung, unter anderem der signifikante Zubau von dargebotsabhängigen Erzeugungsanlagen, führen zu einem erhöhten Bedarf von Anpas-sungsmaßnahmen, um Engpässe im Übertragungsnetz zu vermeiden. Damit Maßnahmen mit hoher Vorlaufzeit rechtzeitig aktiviert werden können, kommt der Betriebsplanung bei der Eng-passbehebung eine zunehmende Bedeutung zu.
Schaltmaßnahmen zur Veränderung des Schaltzustands des Übertragungsnetzes stellen ein na-hezu kostenfreies Mittel des Netzbetriebs dar, deren Verwendung zudem den Anpassungen der Transportaufgabe gesetzlich vorzuziehen ist. Bei der Berücksichtigung von Schaltmaßnahmen in der Betriebsplanung sind jedoch umfangreiche Randbedingungen zu beachten:
• Das Auftreten komplexer Schaltsequenzen und die begrenzte Zuverlässigkeit von Schaltge-räten erfordert die explizite Prüfung der Schaltmaßnahmen. Die bloße Betrachtung des resul-tierenden Schaltzustands ist nicht ausreichend.
• Um einen gleichmäßigen Schaltbetrieb gewährleisten zu können, ist die vorausschauende Auswahl von Schaltzuständen erforderlich, die möglichst längerfristig zulässig sind.
• Die Koordination von Schaltmaßnahmen erfordert die Ermittlung einer begrenzten Menge von Schaltzuständen, die für einen längeren Zeitraum effektiv eingesetzt werden kann.
Im heutigen Netzbetrieb werden die umfangreichen Randbedingungen vereinfacht berücksichtigt, indem das Übertragungsnetz üblicherweise im sogenannten Normalschaltzustand betrieben wird. Hiervon wird nur in geringem Umfang abgewichen. Um jedoch das Potential des Schaltzustands unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen möglichst effizient auszunutzen, wird in dieser Arbeit das Konzept der robusten Schaltzustände (rSZ) entwickelt.
Zur Ermittlung von rSZ wird ein Verfahren mit verschiedenen Bausteinen vorgeschlagen. Zu-nächst wird eine als stochastischer Prozess modellierte repräsentative Netznutzung auf Basis historischer Netznutzungsfälle hergeleitet. Dabei werden repräsentative Netznutzungsfälle mit Hilfe eines Clustering-Verfahrens ermittelt. Auf dieser Basis können im nächsten Schritt rSZ unter gleichzeitiger Berücksichtigung der erforderlichen Schaltmaßnahmen mit Hilfe eines geeigneten Optimierungsverfahrens ermittelt werden. Im entwickelten Verfahren werden Strom-, Spannungs- und Kurzschlussstromgrenzwerte und weitere Nebenbedingungen für Schaltmaßnahmen berück-sichtigt. Die Bestimmung von kurativen Schaltmaßnahmen zur Engpassbehebung nach Betriebs-mittelausfall ist ebenfalls möglich. Zur Herabsetzung der Problemdimension teilt sich das Verfah-ren in ein Sub- und Masterproblem auf. Das Subproblem ermittelt eine Vorschlagsliste von opti-mierten Schaltzuständen pro repräsentativem Netznutzungsfall. Im Masterproblem werden die insgesamt optimalen – und damit robusten – Schaltzustände bestimmt. Dabei werden insbeson-dere die sich einstellenden Schaltmaßnahmen mit Hilfe einer Modellierung des Risikos und der Zuverlässigkeit bewertet. Die auf diese Weise ermittelten rSZ können anschließend in Prozessen der Betriebsplanung zur Beseitigung von Engpässen eingesetzt werden. Dazu wird ein Verfah-rensbaustein entwickelt, der auf Basis der prognostizierten Netznutzung eine Auswahl der zur Verfügung stehenden rSZ mit nur geringem Bedarf an Rechenzeit vornimmt.
Exemplarische Untersuchung zeigen anhand der Simulation eines Betriebsplanungsprozesses, dass erfolgreich Schaltmaßnahmen auf Basis der rSZ zur Beseitigung von Engpässen herange-zogen werden können. Auf diese Weise kann der Umfang sonstiger erforderlicher Maßnahmen zur Engpassbehebung, insbesondere Eingriffe in die Transportaufgabe, reduziert werden