Erscheinung und Wirklichkeit
Ein metaphysischer Versuch
Francis Herbert Bradley
Der englische Schriftsteller Somerset Maugham verweist in einer Kurzgeschichte mit dem Titel Appearance and Reality auf das gleichnamige Buch von F. H. Bradley, das er als bedeutendstes philosophisches Werk bezeichnet, das England im 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Seine Charakteristik liest sich so: »Es ist schwer, aber anregend zu lesen. Es ist in ausgezeichnetem Englisch geschrieben, mit beträchtlichem Humor, und wenn der Laie auch vielen seiner spitzfindigen Behauptungen kaum mit Verständnis folgen kann, hat er immerhin das erregende Gefühl, auf einem geistigen Seil über einem metaphysischen Abgrund zu balancieren, und er beendet die Lektüre mit dem beruhigenden Eindruck, dass im Grunde genommen alles gleichgültig ist«.
Diese Charakteristik trifft genau Stil und Argumentation von Bradleys metaphysischem Versuch, den man als Dekonstruktion des objektiven Idealismus Hegels lesen kann. Die Reality, die Bradley sucht, entzieht sich seiner Metaphysik zufolge den transzendentalen Kategorien. Sie bleibt eine regulative Idee, in der alle Einzelerfahrungen in einem unerkennbaren ‚Absoluten‘ aufgehoben sind. Appearance bei Bradley entspricht zwar Kants Begriff der Erscheinung, bekommt aber auch die Bedeutung von Schein.
Bradleys Wirkung im 20. Jahrhundert war, bedingt u.a. durch die nachhaltige Kritik von Moore und Russel, über viele Jahre zum Erliegen gekommen. Die neuere sprachanalytisch orientierte Philosophy of Mind aber findet in Bradleys Hauptwerk zahlreiche Anknüpfungspunkte. Deshalb wird hier die seit Jahrzehnten vergriffene Übersetzung von Friedrich Blaschke wieder zugänglich gemacht.