Erziehung zum funktionalen Denken. Zur Begriffsgeschichte eines didaktischen Prinzips
Katja Krüger
Die Forderung nach Erziehung zum funktionalen Denken wurde erstmals im „Meraner Lehrplan “ von 1905 explizit formuliert und entwickelte sich bald zum konsensfähigen Schlagwort der damaligen Reform des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts. Die „Erziehung zur Gewohnheit funktionalen Denkens “ galt als Hauptaufgabe nicht nur des gymnasialen Mathematikunterrichts.
In der vorliegenden Arbeit werden grundlegende Aspekte dieses alten, jedoch nicht veralteten didaktischen Prinzips herausgearbeitet unter Berücksichtigung soziokultureller, bildungs-, schul- und mathematikhistorischer Rahmenbedingungen der „Meraner Reform „. Anhand von zeitgenössischen Beispielen wird illustriert, dass damals nicht nur irgendeine Behandlung „des “ Funktionsbegriffs nach heutigem Verständnis gemeint war, sondern im wörtlichen Sinne gewisse Denkgewohnheiten, für die bewegliche, kinematische Sichtweisen von Mathematik charakteristisch sind. Auswirkungen der Meraner Ideen zum funktionalen Denken auf heutige mathematik- didaktische Entwicklungen werden an aktuellen Diskussionen um Stichworte wie operatives Prinzip, fundamentale Ideen oder interaktiv- experimentelle Computernutzung aufgezeigt.