Eschwege von Kollmann,  Karl, König,  York E

Eschwege

Ein Lesebuch

Die Kreisstadt Eschwege kann bereits auf mehrere Veröffentlichungen zur Stadtgeschichte verweisen; erst 1993 erschien eine umfangreiche Neubearbeitung. Das vorliegende Lesebuch kann noch weniger als die schon vorhandenen Publikationen einen Anspruch auf Vollständigkeit stellen, es greift vielmehr bestimmte -meist subjektive – Ansichten und Äußerungen zu einzelnen Themenkreisen heraus und soll Lust machen auf einen Besuch in der Stadt (bei den auswärtigen Lesern) und weiteres Interesse an ihrer Geschichte erwecken (bei den Einheimischen). Auf über 1000 Jahre Geschichte kann Eschwege mittlerweile zurückblicken. Das Herrscherhaus der Ottonen tritt im Zusammenhang mit der Ersterwähnung im Jahre 974 in Erscheinung; auch später haben deutsche Kaiser und Könige die Stadt besucht und in ihr Urkunden ausgestellt. Mit dem Verlust der Reichsunmittelbarkeit (spätestens 1264) ging auch die Bedeutung Eschweges für die deutschen Herrscher zurück. Von nun an waren es die hessischen Landgrafen, die im Mittelalter und der frühen Neuzeit wiederholt in der Stadt weilten und sie dann im 17. und 18. Jahrhundert sogar zur Residenz einer Nebenlinie erhoben. Seit 1821 ist Eschwege Kreisstadt; im historischen Landgrafenschloß residiert heute die Verwaltung des Werra-Meißner-Kreises. Nach dem 30jährigen Krieg brauchte die Stadt über ein halbes Jahrhundert, um wieder auf den wirtschaftlichen Stand der Vorkriegszeit zu kommen. Nur langsam ging die Weiterentwicklung im 18. Jahrhundert voran, und erst das 19. Jahrhundert brachte mit der Industrialisierung der Stadt Eschwege den Ruf des „hessischen Elberfeld“ ein, wenn auch der Anschluß an die Entwicklung an der Wende zum 20. Jahrhundert verpaßt wurde. Im ersten Drittel dieses Jahrhunderts schmeichelte sich Eschwege auf kulturellem Gebiet mit dem Begriff des „hessischen Bayreuth“. Nicht sehr viele große Persönlichkeiten haben Eschwege eines Besuches für würdig befunden oder gar eine Bemerkung über die Stadt gemacht; was in dieser Hinsicht zu finden war, ist in einem Kapitel dieses Buches zusammengefaßt. Auch hat Eschwege keine allzu große Zahl überragender Personen hervorgebracht, obgleich wir hier jedoch einigen bekannten Namen begegnen: den Geologen Wilhelm Bernhard Dunker und Wilhelm Ludwig von Eschwege, dem Botaniker August Wilhelm Eichler, dem Mathematiker Johann Georg Brand, dem Maler Wilhelm Schott, Schriftstellern
von Otto Melander bis Rolf Hochhuth, dem Marx-Arzt Eduard Gumpert, dem Revolutionär Christian Elard Biskamp, dem Kunsthistoriker Paul Westheim, der Fotografenfamilie Tellgmann, den Vorfahren des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann.
Reich ist Eschwege mit seiner Umgebung an Sagen, Geschichten und Liedern. In ihnen manifestiert sich die Überlieferung der kleinen Leute, im Gegensatz zu den großen Persönlichkeiten oder den Geschichtsschreibern. Manch vertrautes Bild entsteht vor unseren Augen, wenn auch die oft beschworene „gute alte Zeit“ nicht immer und vor allem nicht für jeden gut war. Auch an kritischen Tönen soll es daher nicht fehlen, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Und beim Gang durch die Geschichte – der in der Auswahl seines Weges natürlich sehr kurz und daher notgedrungen subjektiv sein muß – können die Schattenseiten nicht übergangen werden.
Eschwege liegt in einer reizvollen Umgebung, das stellten schon Besucher vor Jahrhunderten fest. Aus herrlicher Landschaft und noch weitgehend intakter Natur Kapital zu schlagen, wird in jüngster Zeit verstärkt versucht. Direkt „vor der Haustür“ liegen die Leuchtberge, die Eschweger „Hausberge“; ganz in der Nähe, wenn auch viel weniger besucht, die geologisch bedeutsame „Blaue Kuppe“. Und im Westen über dem Werratal grüßt der König der Hessischen Berge, der Meißner, wo Frau Holle ihre Wohnung hat.

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