Europa und ihre Stiere
Die EU zwischen Integration und nationalem Eigensinn
Adolf-Arndt-Kreis
Einst wurde die schöne Europa der Sage nach von Zeus in Gestalt eines prachtvollen Stiers betört, entführt und über die Meere hinfort getragen zu fernen Ufern, an denen sie, hin- und hergerissen zwischen liebender Hingabe und Angst vor den Konsequenzen ihres Handelns, die Götter anflehte, ihr hold zu sein. Das Europa von heute sieht sich hingegen einer Vielzahl von „Stieren“ ausgesetzt, die darüber uneins sind, wohin sie Europa tragen sollen: da gibt es die Kommission, das EU-Parlament und den europäischen Rat, dazu noch 27 nationale Regierungen und Parlamente, die alle nach ihren jeweiligen Vorstellungen Europa Gestalt, Inhalt und Ausrichtung geben wollen.°°Was einst so verheißungsvoll begann, Europa Frieden bescherte, seinen Bürgern Freizügigkeit einbrachte, die Wirtschaft erstarken ließ und bis vor kurzem als großartiges politisches Zukunftsprojekt galt, an dem sich immer mehr Staaten beteiligt haben, droht mittlerweile, der Desillusion anheimzufallen. Es hat den Anschein, dass Europa an Manövrierfähigkeit verliert, zwischen nationalen Eigeninteressen zerrieben wird und von den Bürgern zunehmende Skepsis erfährt. Die Wirtschafts-, Banken- und Eurokrise samt darüber aufgespanntem Rettungsschirm und der Streit über die richtigen Wege aus dem dadurch entstandenen Finanzdilemma etlicher europäischer Länder haben wesentlich dazu beigetragen.°°°°Doch statt sich darüber zu streiten, wer die europäische Zeche zu zahlen hat, sollte besser darüber nachgedacht werden, wie die europäische Idee wieder mit Leben gefüllt werden kann. Woran leidet Europa, was fehlt ihm und wie kann es zukunftsfähig gemacht werden? Braucht Europa eine Wirtschaftsregierung und wie kann es seinen Bürgern besser als bisher sozialen Schutz bieten, um von ihrem Vertrauen getragen zu werden? Solchen Fragen gelten die Beiträge von Wissenschaftlern und Politikern in diesem Band.