Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne
Fundamentaltheologische Perspektiven
Traugott Jähnichen, Adolf Martin Ritter, Udo Rüterswörden, Ulrich Schwab, Loren T Stuckenbruck
Die Aufgabe der Systematischen Theologie ist die Deutung und Selbstklärung des evangelischen Glaubens, wie er seit der Reformationszeit prägnant mit Hilfe der Exklusivbezeichnungen „allein Christus – allein der Glaube – allein die Gnade – allein die Schrift“ beschrieben wird. Zugleich ist die symbolische Ausdrucksfähigkeit dieses Glaubens weiter zu entwickeln. Dies geschieht im Horizont der pluralen Religions- und Weltanschauungskultur der Moderne, in der die klassischen Religionen, aber auch Formen neuer Religiosität und säkulare Weltanschauungen, im Blick auf die Ausprägung kollektiver Identitäten in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen haben. Neben jener Pluralität kann der enorme Einfluss des Wissenschaftssystems als grundlegende Signatur der modernen Lebenswelt benannt werden. Somit steht die Theologie vor der Aufgabe, sich auf die Herausforderungen einer wissenschaftsbasierten sowie religions- und weltanschauungspluralen Gesellschaft einzustellen.
Evangelische Theologie hat in diesem Kontext die spezifischen Deutungsperspektiven des Glaubens dialogisch einzubringen. In den wissenschaftlichen Diskursen ist eine interdisziplinäre Kompetenz herausgefordert, durch die Fragestellungen der anderen Kultur- sowie der Naturwissenschaften im Blick auf das eigene Menschen- und Weltverständnis aufgenommen und originäre Beiträge im Dialog entwickelt werden können. Eine wesentliche Aufgabe ist dabei die Thematisierung und Offenlegung der ethischen Implikationen der modernen Wissenschaftskultur.
Die Dialogorientierung gilt es schließlich auch im Umgang mit anderen Religionen und Weltanschauungen zu bewähren. Fragen einer theologischen Reflexion der Achtung fremder Wahrheitsansprüche, nach der eigenen Identität im interreligiösen Dialog, nach der Bedeutung anderer Religionen und nach dem gemeinsamen Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen sind systematisch zu beantworten. Es geht darum, eine theologisch reflektierte Verhältnisbestimmung von Vergewisserung der eigenen Glaubensidentität und der Anerkennung der Anderen zu entwickeln.