Fluchtmigration aus Syrien
Eine biographietheoretische und figurationssoziologische Studie
Arne Worm
Der bewaffnete Konflikt in Syrien seit dem Frühjahr 2011 hat in quantitativer Hinsicht eine der größten gewalt- und konfliktbedingten Fluchtbewegungen seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht. Die im Kontext des vielschichtigen, in seinem Verlauf zunehmend extrem gewalttätigen syrischen Bürgerkrieges flüchtenden Menschen, insgesamt etwa die Hälfte der syrischen Gesamtbevölkerung, suchten und suchen überwiegend innerhalb anderer Regionen Syriens oder in den unmittelbar angrenzenden Ländern Schutz, Sicherheit und soziale Teilhabe. Nur verhältnismäßig wenige von ihnen flüchteten in geographisch relativ weit entfernte Staaten (zum Beispiel in die „Europäische Union“) beziehungsweise hatten die Möglichkeit und die Ressourcen, sich auf diesen Weg zu machen. Die vorliegende soziologische Studie behandelt mit den Fluchtmigrationen und Fluchterfahrungen von Menschen aus Syrien, die vor dem Hintergrund des gewaltsamen Konfliktes zwischen 2014 und 2017 über den spanisch-marokkanischen Grenzraum um die Enklaven Ceuta und Melilla migriert waren, einen Ausschnitt dieses Migrationsgeschehens. Anhand einer Kombination von biographietheoretischen, figurationssoziologischen und zugehörigkeitstheoretischen Perspektiven erfolgt eine empirische Untersuchung zu den Fluchtverläufen, Lebenssituationen und Selbstpräsentationen von Geflüchteten aus Syrien im spanisch-marokkanischen Grenzraum um die Enklaven Ceuta und Melilla. Auf dieser empirischen Basis wird der Vorschlag diskutiert, Fluchtmigrationen soziologisch als Migrationsverläufe zu fassen, die sich im Kontext von gewaltverursachten und -verursachenden Prozessen gesellschaftlicher Ordnungsbildung und Transformation herausbilden und deren Gesamtverläufe integral mit diesen Prozessen verwoben sind.