Frankenstein
Band I (1818-1931). Eine Literatur-, Film- und Familiengeschichte in zwei Bänden
Hans Schmid
Als Mary Shelley 1818 „Frankenstein“ veröffentlichte und damit eine der großen Mythen der Populärkultur begründete, war der Roman so aktuell und politisch so brisant, dass sie ihn 1831 für eine Neuauflage umschreiben musste. Das Buch entstand im Zentrum einer der skandalumwittertsten Familien des 19. Jahrhunderts und ist zugleich das Produkt einer Zeit, in der sich die moderne Medizin entwickelte und der menschliche Körper zur Ware wurde, in der die Armut zum Verbrechen erklärt wurde und sich die Medien erstmals für das Phänomen des Serienmords interessierten. Das alles und noch mehr ist in Frankenstein enthalten. Trotzdem wäre der Roman in Vergessenheit geraten, und seine Autorin würden wir nur noch als die Witwe eines berühmten Dichters kennen, wenn es nicht die unautorisierten Bearbeitungen für die Theaterbühne gegeben hätte, die den Stoff erst populär machten und dem Mythos die uns vertraute Gestalt gaben.
Die Geschichte von Frankenstein im Film beginnt mit Thomas Alva Edison, dem Vater der Glühbirne, führt hinein in einen der legendären, mit der Erfindung des elektrischen Stuhls endenden Wirtschaftskriege des ausgehenden 19. Jahrhunderts und erreichte zur Zeit der Weltwirtschaftskrise einen ersten künstlerischen Höhepunkt. Die beiden Frankenstein-Filme von James Whale, die Boris Karloff zum Star machten, erzählen von Tabuthemen wie körperlichen und seelischen Verstümmelungen bei Kriegsteilnehmern, Arbeitslosigkeit und einer kriminalisierten Sexualität. Sie begründen eine Tradition des subversiven Horrorfilms in Amerika und entstanden paradoxerweise in den Universal Studios, deren Gründer, der deutsche Immigrant Carl Laemmle, die Firma als Familienunternehmen führte und am liebsten nur Filme für die ganze Familie gemacht hätte, mit Hunden und kleinen Kindern.