Fremde Schwester
Barbara Stewen
Sie geht ganz, ganz leise, denn sie fürchtet, dass Mutters Lächeln zerbricht, wenn auch nur ein falscher Laut in die
Küche dringt, denn Mutter kann auch anders. Ein zerbrochener Kochlöffel zeugt davon.
Tröstlich scheint ihm nun der Klang der Glocken, der sich mit dem Rauschen des Kornfeldes zu einem lauten
Brausen, gleich einer letzten Symphonie vermischt und in einem aufbrausenden Stakkato endet. Mit letzter
Anstrengung bricht aus dem Mund des Sterbenden der verzweifelte Aufschrei: „Oh Gott!“
Dann fällt sein Gesicht auf die Seite.
Wand an Wand lag ich als Kind mit Maden und
Schmeißfliegen, die mit ihren schillernden Flügeln den
Leichnam verließen, und von tausenden Kleinstlebewe-
sen abgelöst wurden. Das ist furchtbar, denkt sie, aber
auch spannend: Das große Fressen ist meistens nach
etwa zwei Jahren beendet.